Am 8. März 2022 ist wieder internationaler Frauentag. Ein Tag, der vor allem für eines steht: Die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Doch wie sieht es mit dieser Gleichstellung eigentlich in der internationalen Designszene aus?
Der Weltfrauentag
Seit über 100 Jahren wird am 8. März der Weltfrauentag begangen. An diesem Tag demonstrieren weltweit Frauen für mehr Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung. Im Mittelpunkt steht also die Rolle der Frau in der Gesellschaft.
Der 8. März ist dabei nach wie vor aktuell: Mit einem unbefriedigend hohen Gender Pay Gap, veralteten Frauenbildern, die durch die Corona Krise noch begünstigt werden, und dem immer noch massiven Eingriff in die Freiheitsrechte großer Teile der weiblichen Bevölkerung, wie beispielsweise aktuell in Afghanistan.
Der Weltfrauentag 2022
Vielfältig, gleichberechtigt und integrativ – Jedes Jahr steht der Frauentag unter einem bestimmten Motto. Das Motto der UN für den Weltfrauentag 2022 lautet „Break the Bias.“ Zu Deutsch: „Stoppt die Voreingenommenheit“. Den Initiator:innen geht es darum auf Stereotypen und Vorurteile gegenüber Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. Und diese zu durchbrechen. Unterschiede sollen gewürdigt, nicht geächtet werden.
Frauen in der Designszene
Design ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Alltagswelt. Und doch: Obwohl ein Großteil der Weltbevölkerung weiblich ist, herrscht auch in der derzeitigen Designszene noch lange keine Gleichstellung! Wie zum Beispiel beim Produktdesign: Der Alltag unserer Dinge ist männlich.
Frauen und Designprodukte
Was hat die Regelung der Bürotemperatur, die Breite einer Klaviertastatur oder aber die Größe unserer Smartphones gemeinsam? Sie alle sind darauf ausgelegt, sich perfekt in die Welt eines 1,75 m großen Mannes einzufügen.
Dieser „Referenzmann“ steht oftmals repräsentativ für die gesamte Menschheit. Unser derzeitiges Produktdesign lässt damit aber sowohl die kulturellen als auch sozialen Unterschiede sowie die anderen Designbedürfnisse der weiblichen Bevölkerung außer Acht. Denn Frauen sind keine „kleinen Männer“ und je weniger die Eigenschaften eines Teils der Bevölkerung beachtet werden, desto unpassender sind die daraus entwickelten Produkte und Strukturen für diesen:
Ein Beispiel? Im Durchschnitt gesehen sind Frauenhände deutlich kleiner als Männerhände, dennoch gestalten wir Dinge so, als entsprächen alle Handgrößen der von Männern. Smartphones liegen zwar locker perfekt in einer geöffneten männlichen Hand, Frauen müssen diese aber oftmals mit beide Händen halten, um sie zu bedienen.
Möchte man dann sein Smartphone genauso locker in den Hosentaschen einstecken, ergibt sich schon das nächste Problem: Frauenkleidung ist weit häufiger unter dem Aspekt des Stylings und weniger unter dem Aspekt des Nutzens designt. Die Taschen sind damit deutlich kleiner, verschwinden teilweise sogar ganz. Es soll gut aussehen, nicht praktisch sein.
Dass der Absatzmarkt für größere Hosentaschen jedoch vorhanden wäre, zeigt sich unter anderem an Aktionen wie dem Hashtag #WeWantPockets in den sozialen Medien. Dort forderten vor ein paar Jahren hunderte Frauen: „Wir wollen Hosentaschen“.
Und auch BLICKFANG Designer:innen wie Zehnle von Langsdorff, Saenguin oder Buffet machen längst vor, was Standard sein sollte: Frauenkleidung optimal angepasst an die weiblichen Bedürfnisse – sei es die perfekte Passform, das bequeme Businessoutfit oder die Verschmelzung von ästhetischem Design und funktionalen Taschen.
In der restlichen Designwelt sieht das oft immer noch anders aus! Was also passiert dort, wenn doch einmal versucht wird auf den weiblichen Markt einzugehen?
Solche Maßnahmen gehen oft einher mit Gender-Marketing oder aber stereotypischer Produktgestaltung männerdominierter Produkte: Unter dem Leitsatz „Pink it, shrink it“ unterscheiden sich zum Beispiel Werkezeuge, die speziell für Frauen designt werden, weder in einer angepassten Handhabung (leichteres Gewicht) noch funktionalen Differenzierung: Sie sind lediglich kleiner und in „weiblichen“ Farben gestaltet.
In der männerdominierten Design-Branche sind unsere alltäglichen Designs also häufig besser an die Bedürfnisse von Männern angepasst. Da aber Designer:innen oftmals unbewusst ihr „Geschlecht“ mit in ihren Designs transportieren, ist es längst an der Zeit, unseren weiblichen Designerinnen mehr Raum zu geben!
Frauen als Designerinnen
Wie in vielen männerdominierten Branchen, so sind auch im Design Frauen häufig weniger sichtbar als ihre männlichen Kollegen. Frauen sind nicht nur in der Literatur, sondern ebenso in Museumsausstellungen, Führungsrollen oder als Gründerinnen unterrepräsentiert:
Obwohl beinahe die Hälfte aller Designstudierenden Frauen sind, machen weibliche Führungskräfte in der Kreativbranche heute nur etwa 5-11% aus. Von Frauen geführte Kreativagenturen sogar nur 1%. Das Berufsfeld Design ist zudem eines der 20 Felder mit dem größten Gender Pay Gap.
Doch woran liegt das?
Geschichtlich gesehen wurden Designerinnen und ihr Werk größtenteils aus dem Blickwinkel von Männern begutachtet. Weibliches Design wurde damit vermehrt als Teil des Werks ihrer berühmten Männer (Ehemänner, Brüder, Väter) betrachtet. Eine positive Ausnahme mögen hier zwar Charles und Ray Eames sein – aber sind wir ehrlich: Wer hat schon von Aino Aalto, der Designerin an der Seite von Alvar Aalto gehört?
Oder Charlotte Perriand? Sie entwickelte zusammen mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret eine Liege, die heute nur noch als „Corbusier-Liege“ bekannt ist. Erst in den letzten Jahren rückte sie vom Hintergrund ins Zentrum der Betrachtungen zur Moderne der 20er Jahre. Einige ihrer Möbel werden noch immer fabriziert. Jetzt unter ihrem Namen.
Berühmte Designer:innen werden also allzu oft mit Männern assoziiert und so fehlt es an weiblichen Vorbildern für Führungsrollen.
Und nicht nur das…Eine fehlende Unterstützung für Mütter, frauenfeindliche Vorurteile über technische Fähigkeiten oder allzu oft männlich dominierte Preisjurys tragen ebenso zu den schlechteren Aufstiegschancen weiblicher Designerinnen bei. Aus diesem Anlass berät man derzeit auch im Art Directors Club für Deutschland über den Anteil an weiblichen ADC Jury-Mitgliedern. (Momentan liegt die Frauenquote bei nur 20%!)
Dabei ist es gar nicht so schwer! Schauen wir uns nur einmal Skandinavien an: Die starke Tradition der Gleichberechtigung in den nordischen Ländern hat Frauen dort sowohl Zugang zu Bildung und Lehrstellen als auch vermehrt Führungspositionen in der Designindustrie verschafft. Zwar gibt es auch hier noch immer mehr Männer als Frauen in der Branche, im internationalen Vergleich aber finden sich dort auffällig viele Frauen im Design.
Ein Blick in die Zukunft
Jetzt die gute Nachricht! Design wird weiblicher, Designerinnen werden sichtbarer.
Der zunehmende Einfluss von Gender-Marketing wird auch die Produktgestaltung beeinflussen. Die gesetzten Vorstellungen von typisch männlichem (hart, eckig, dunkle Farben) und weiblichem (weich, rund, leuchtende Farben) Design, werden immer mehr gelöst und gendersensibles oder Unisex Design wird so nicht nur zum Trend, sondern Standard.
Weltweite Initiativen und Netzwerkveranstaltungen, wie etwa das 2016 von der New Yorkerin Jessica Walsh gegründete „Ladies, Wine & Design“, animieren und motivieren Frauen in der Kreativszene außerdem dazu, sich und ihre Arbeit gegenseitig zu unterstützen, sichtbarer zu werden und so die gegebenen Umstände zu ändern!
Who run the world? Girls!
Und auch du kannst dazu beitragen, weibliche Designer:innen in den Fokus zu setzten, indem du aktiv weibliche Unternehmen unterstützt!
Bei der BLICKFANG zum Beispiel ist es glücklicherweise so, dass knapp 50% unserer Labels von Frauen geführt werden und wir daher an unseren Messen aus den Vollen schöpfen können, wenn wir dir unglaublich inspirierende Labels und ihre Macherinnen vorstellen.
Weitere Inspirationen
Dich beschäftigt das Thema Frauen und Design genauso wie uns? Du möchtest unbedingt noch mehr dazu erfahren? Dann kommen hier drei inspirierende, zum Teil überraschende, aber auf jeden Fall lesenswerte Bücher:
Unsichtbare Frauen, Caroline Criado-Perez
Design von Frauen, Charlotte Fiell & Clementine Fiell
Patriarchat der Dinge, Rebekka Endler
Außerdem empfehlenswert:
Die Ausstellung Spot On. Designerinnen in der Sammlung im Vitra Design Museum