Interview mit Sebastian Herkner Kurator 2024

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„Design sollte immer ein Dialog mit der Zukunft sein“

BLICKFANG-Kurator des Jahres Sebastian Herkner über Materialien, die Aufgaben von Design und wie Gestaltung den Alltag und die Welt von morgen formen kann. Ein Studio-Besuch. 

Ruhig ist es. Fast schon andächtig still. Nur leise hört man im Hintergrund Sebastian Herkner, wie er mit seinem Team die Agenda für Sommer bespricht. Kurz darauf kommt er zu uns. Genauso konzentriert, wie er seine Termine durchgegangen ist, trifft er sich mit uns zum Gespräch über die Aufgaben von Design, Qualität und gibt Tipps für Nachwuchsdesigner:innen. 

Im Studio zwischen Modellbauten, gläsernen Tischen, gewebten Teppichen, Stühlen aus Bugholz, gewichtigen Leuchten und geflochtenen Bänken und wird schnell deutlich: Am Anfang der Produkte steht bei Herkner das Material und seine Verarbeitung. Handwerk und Design gehen hier eine Symbiose ein und stehen für eine tiefe Verbindung von Werkstoff, Tradition und Innovation. 

Herkner hat diese Leidenschaft, direkt mit „echten“, wie er es ausdrückt, Materialien zu arbeiten und die Fertigungsprozesse zu verstehen. Dies verleiht ihm ein intuitives Verständnis für die Nuancen, die ein Produkt oder Objekt von durchschnittlicher zu außergewöhnlicher Qualität erheben. 

„Wenn man in der Glasbläserei steht, in der Hitze, ist der Zugang zum Produkt ein ganz anderer. Im Gegensatz zu einer Schreinerei, wenn sich der Geruch von frisch verarbeitetem Holz, Sägespänen und feinstes Sägemehl mit Wärme mischen. Oder in der Metallwerkstatt, in der ein geradezu eiserner, kalter Duft schwebt. Immer sind es aber die Menschen, die den Rofstoff zu einem Produkt formen.“ 

Es verwundert nicht, dass auch Herkners Zugang zu Produkten fast schon synästhetisch ist. Er will wissen, wie ein Tisch riecht, wie sich Glas anfühlen kann. Design ist ein multisensorisches Erlebnis. Ein Erlebnis, das es so aber nur im direkten Kontakt gibt. Auf Veranstaltungen. Mit Menschen.

Nicht nur aus diesem Grund begleitet er die BLICKFANG dieses Jahr als Kurator. Die Designmesse und er teilen das hohe Qualitätsverständnis und die Überzeugung, dass gutes Design zeitlos und damit nachhaltig ist. 

Herkners Verständnis für Qualität wurzelt in seiner Kindheit und Jugend. Aufgewachsen in einem ländlichen Umfeld, das die Bedeutung von handwerklichem Geschick und der direkten Interaktion mit Materialien betonte, entwickelte er früh eine Wertschätzung für die Feinheiten „Vielleicht hab‘ ich es als Jugendlicher nicht immer ganz verstanden, warum wir im Urlaub eine Käserei in Roquefort besucht haben oder eine Ledermanufaktur in Südfrankreich. Aber letztlich haben diese Ausflüge schon dazu geführt, dass ich Produktions- und Konsumverhalten schon früh hinterfragt habe.“ 

Indem er bei seinen Ideen Produktionsketten kritisch betrachtet, strebt er danach, die Umweltbelastung seiner Entwürfe zu minimieren. „Jedes Produkt erzählt eine Geschichte über seinen Ursprung, seine Herstellung und ebenso hat es eine Auswirkung auf unsere Gesellschaft“, erklärt Herkner. Durch diese Geschichten möchte er nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch ein Bewusstsein für die Konsequenzen unseres Konsums. 

Design ist in seinen Augen ein Dialog mit der Zukunft. Daher hat er keinerlei Interesse, Badewannen aus Marmorblöcken freizulegen oder Stühle aus Kunststoff für den Innenbereich zu designen. Für Outdoor Möbel können recycelte Materialien in Frage kommen, aber so optimiert, dass sie den äußeren Gegebenheiten wie der Sonne standhalten.

Oder warum er nach Ausflügen ins Modebusiness als Student oder für eine Brillen-Kollektion weiterhin den Möbeln treu bleibt. Hier geht es um Beständigkeit und Wertigkeit. Gutes Design muss zwar formal auch irritieren und eine Reibungsfläche bieten, um spannend zu bleiben, sich im Alltag aber vorallem integrieren.

Denn Herkner sieht gutes Design in der Verantwortung, positiv auf Umwelt und Gesellschaft einzuwirken. „Geiz ist eben nicht geil. Wenn man die Erfahrung macht, dass ein paar gute Schuhe viele Jahre halten, hinterlässt das Spuren. Mein Ziel ist es, Produkte als Begleiter zu verstehen, die den Käufer über einen langen Zeitraum begleiten, die mit umziehen, vielleicht sogar weitervererbt werden.“

Erst die Tage habe er eine Nachricht erhalten, dass sich jemand ein von ihm designtes Möbelstück gekauft hat, nachdem er lang darauf gespart habe. „Und darum geht es doch. Design sollte das Ziel haben, das Leben zu bereichern.  Hier spricht auch nichts dagegen, ein Original auch gebraucht zu kaufen. Gutes Design ist hohe Qualität und wird mit seiner Geschichte weitervererbt.“

Und seine drei Tipps für junge Designlabels? 

  1. Pflegt Beziehungen zu anderen Designern, Herstellern und Brancheninsidern. Ein starkes Netzwerk kann Türen öffnen und Möglichkeiten für Zusammenarbeit und Wachstum bieten.
  2. Seid beharrlich und lasst euch nicht von Rückschlägen entmutigen. Erfolg im Design erfordert Zeit, Geduld und die Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen.
  3. Bleibt euren Werten treu und verfolgt eine klare Vision. Authentizität in euren Entwürfen spricht Menschen auf einer emotionalen Ebene an und kann eurem Werk Tiefe und Bedeutung verleihen

Biografie

Sebastian Herkner wurde 1982 in Bad Mergentheim geboren. Nach seinem Abschluss an der HfG Offenbach gründete er 2006 sein Designstudio. Der „Bell Table“ brachte ihm als Jungdesigner erstes internationales Renommee ein. Seine Arbeit umfasst heute Möbel, Leuchten, Keramik, Accessoires und Textilien. Er hat mit zahlreichen internationalen Marken zusammengearbeitet, darunter Moroso, Dedon, Schönbuch, Thonet oder Ames. Herkner wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem German Design Award, dem Designpreis der Bundesrepublik Deutschland, dem Red Dot Design Award oder dem Elle Decoration International Design Award. 

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