verschnitt: Wenn aus Holzresten Designträume werden

AllgemeinInterviews

Dennis Disterheft setzt mit seinem Möbellabel Verschnitt seit 2007 ein kraftvolles Zeichen für nachhaltiges Design. Seine Vision? Die Verwandlung vermeintlicher Holzabfälle in Designobjekte, die nicht nur das Auge erfreuen, sondern auch Geschichten von Ressourcenschonung und Kreativität erzählen. 

„Mir hat das Herz geblutet, als ich sah, wie viel Eichenholz einfach kleingesägt und verbrannt wird. Und so war die Idee zu Verschnitt geboren“, erinnert sich Disterheft.  

Mit „Verschnitt“ hat er eine Nische geschaffen, die Ästhetik und Umweltbewusstsein nahtlos verbindet. Jedes Stück, das seine Werkstatt verlässt, ist ein Unikat – geformt von der Natur und veredelt durch präzise Handwerkskunst.  

Diese Philosophie hat nicht nur Designliebhaber begeistert, sondern auch die Fachwelt überzeugt: Die Lampe „Albatros“ wurde bereits 2016 mit dem Green Product Award ausgezeichnet, ein Beweis für die innovative Kraft hinter „Verschnitt“.  

Die Award-winning Lampe „Albatros“

Von Architektur zu Upcycling: Ungewöhnliche Wege und glückliche Fügungen  

Zwei Fremde treffen sich 2007 in Australien beim Backpacking und entdecken ihre gemeinsame Leidenschaft für die eigentlich so gar nicht angesagte Klaviermusik von Regina Spector. Aus dieser zufälligen Begegnung zwischen Dennis Disterheft und Richard Sasse entstand eine Freundschaft, die Jahre später zu einer kreativen Partnerschaft heranreifen sollte. 

Dennis hat Architektur studiert und bringt einen neuen Blick in die Welt der Möbelgestaltung. Sein Weg führte ihn damit von den Reißbrettern der Architektur zu den Werkbänken der Holzverarbeitung. Richard hingegen ist Kulturwissenschaftler und Tischlermeister. Und damit wirft er nicht nur historisch, sondern auch kulturell nochmal einen ganz anderen Blick auf den Werkstoff Holz.  

Vom Sägewerk zur nachhaltigen Wohnkunst: Die Philosophie hinter „Verschnitt“  

Als Disterheft den Bauernhof von Sasses Familie besuchte, öffneten sich ihm die Augen für ein unterschätztes Potenzial: Holzreste, besonders Eiche, die normalerweise nur noch als Brennholz verkauft werden, erschienen ihm als ungeschliffene Diamanten des Designs. Hier liegt der Kern der „Verschnitt“-Philosophie: Was andere einfach verbrennen, wird zum Ausgangspunkt für neue, nachhaltige Kreationen. 

Als Architekturstudent wusste er zudem schon früh um den Materialwert und erinnert sich daran, wie er sich im Studium den teuren Werkstoff regelrecht vom Mund abgesparte. Neben dem neuen Werkmodell aus edlem Eichenholz standen nämlich abends dann nur noch Nudeln mit Ketchup auf dem Tisch…       

Die Kunst des Unvollkommenen: Designprinzipien von verschnitt 

Sasse und Disterheft spielten zusammen und gekonnt auf mehreren Ebenen mit dem Konzept des „Ver-“ – jener Vorsilbe, die oft für etwas Schwieriges oder scheinbar Unperfektes steht. So werden bei Verschnitt Astlöcher zu überraschenden Blickfängen, Wurmspuren zu authentischen Messungen und Risse zu spannenden Designelementen. Disterheft erklärt: „Die vermeintlichen Fehler herauszuarbeiten, in Szene zu setzen und als Alleinstellungsmerkmal zu betonen, darin liegt der Charakter von Verschnitt.“ Diese Herangehensweise fordert nicht nur die gängigen Schönheitsideale heraus, sondern eröffnet auch neue Perspektiven auf Ästhetik, Nachhaltigkeit und Wertschätzung für den Rohstoff Holz.   

Lokale Wurzeln, globale Inspiration 

„Verschnitt“ bezieht sein Holz seit Beginn ausschließlich aus einem 30-Kilometer-Radius um Osterburg in Sachsen-Anhalt. Das kleine Sägewerk liefert den Rohstoff für die Möbel.  

Das verwendete Holz ist kein gewöhnliches Bauholz, sondern eben der sogenannte „Verschnitt“ – Holzabschnitte, die in der konventionellen Holzindustrie als ungeeignet für die weitere Verarbeitung gelten. Diese Stücke zeichnen sich durch Imperfektionen wie Astlöcher, Wurmfraß und ungewöhnliche Maserungen aus. Anstatt diese Holzreste zu verbrennen oder als Abfall zu betrachten, erkannte Disterheft darin das Potenzial für einzigartige Designobjekte. Durch die Nutzung dieses lokalen Rohstoffs kann Disterheft nicht nur nachhaltig arbeiten, sondern auch die Transportwege kurz halten. Das Holz wird entweder direkt in der Werkstatt auf dem Hof in Osterburg oder in Berlin weiterverarbeitet, was den CO2-Ausstoß minimiert. Diese enge Verbindung zur Herkunft ihres Materials ermöglicht es ihm, jedes Stück Holz persönlich auszuwählen und dessen einzigartige Eigenschaften in seine Designs zu integrieren. 

Diese lokale Verankerung steht im spannenden Kontrast zu Disterhefts weltoffener Inspirationsquelle. Reisen, Filme, inspirierende Begegnungen – alles fließt in seine Designs ein und verleiht jedem Stück eine kosmopolitische Note.  

Der Entstehungsprozess: Wenn Zeit zum Designelement wird  

Die Entstehung eines „Verschnitt“-Möbelstücks ist eine Lektion in Geduld. Bis zu drei Jahre muss das gefällte Eichenholz trocknen, bevor es verarbeitet werden kann. In dieser Zeit reift nicht nur das Material, sondern auch die Ideen des Designers. Es ist ein Prozess, der Respekt vor dem natürlichen Rhythmus der Materialien zeigt und gleichzeitig Raum für kreative Entwicklung lässt. 

Qualität neu definiert: High-End mit Charakter  

Wer glaubt, Verschnitt produziere nun vermeintlich minderwertige Ware, irrt gewaltig. Die Arbeit mit charaktervollem Holz erfordert umso mehr Sorgfalt und handwerkliches Geschick als die Verarbeitung vermeintlich makelloser Stücke. Das Ergebnis sind High-End-Produkte, die Nachhaltigkeit und Langlebigkeit mit einzigartigem Charme verbinden. 

Formsprache jenseits des Gewohnten 

Die Designs von „Verschnitt“ fordern heraus und faszinieren zugleich. Ein Regal, das sich auf der einen Seite verjüngt, mag auf den ersten Blick gewöhnlich erscheinen, besticht aber durch seine unverwechselbare Ästhetik. Ein trapezförmiger Tisch, der nicht nur Seh- sondern auch Sitzgewohnheiten in Frage stellt. Hier geht Design bewusst über reine Funktionalität hinaus und wird zum Gesprächsthema.  

Mehr als Möbel: Eine Bewegung für Nachhaltigkeit und Individualität 

Disterheft beweist, dass aus dem vermeintlich Unvollkommenen etwas wahrhaft Außergewöhnliches entstehen kann. In einer Zeit, in der Uniformität oft die Norm ist, bietet Verschnitt eine erfrischende Alternative für alle, die das Besondere suchen. Jedes Stück erzählt eine Geschichte von Kreativität, Nachhaltigkeit und der Schönheit des Unperfekten. 

Das Label und seinen Gründer kannst du persönlich auf der BLICKFANG Stuttgart und BLICKFANG Hamburg treffen.

Chat öffnen
1
Wie können wir dir weiterhelfen?
Consent Management Platform von Real Cookie Banner