Human before Fashion: Die Vision hinter HEL

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Helmut Wegner Gründer von HEL

Helmut Wegner, Gründer und Designer von HEL

Mit HEL – dem Human Equality Label – hat Designer Helmut Wegner eine klare Einstellung in Stoff gefasst: Mode soll mehr sein als Konsum. Sie soll Haltung zeigen, Geschichten erzählen und Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Im Interview spricht er über seinen Weg aus der klassischen Modeindustrie, seine Inspiration aus der nordfriesischen Heimat, die Herausforderungen der Nachhaltigkeit und warum echte Veränderung in kleinen Auflagen beginnt. HEL ist keine Marke, die auf Trends setzt – sondern auf Zeitlosigkeit, Verantwortung und das Credo: Human before Fashion. Es geht um Respekt – vor der Umwelt, vor den Menschen, vor dem Produkt.

Ein Gespräch über Mode als politisches Medium, über Secondhand als Statement und darüber, warum ein Kleidungsstück manchmal mehr sagt als Worte.

Was bedeutet der Name HEL für dich persönlich, und wie zeigt sich diese Vision in deinen Kollektionen?

„HEL, das sind die ersten drei Buchstaben meines Vornamens Helmut. Es steckt also etwas sehr Persönliches drin, aber eben nicht nur. HEL steht auch für „Human Equality Label“. Mir war wichtig, dass dieser Begriff für eine Haltung steht: Gleichheit, Diversität, Menschlichkeit. Ich wollte ein Label schaffen, das für diese Werte einsteht, ohne sie als reines Marketing-Tool auszuschlachten. Bei HEL geht es darum, Haltung zu zeigen, nicht darum, einen Trend zu bedienen.

Diese Vision findet sich in vielen Aspekten meiner Arbeit: in der Bildsprache, in der Wahl der Models, in den geschlechtsneutralen Schnitten meiner Kollektionen, aber auch in der Art, wie produziert wird. Gleichheit bedeutet für mich auch, dass die Menschen, die die Kleidung fertigen, dieselbe Wertschätzung erfahren wie diejenigen, die sie tragen. Das ist für mich ein ganz zentraler Punkt.“

Was hat dich inspiriert, HEL zu gründen und dich bewusst gegen die Fast-Fashion-Industrie zu stellen?

„Ich habe eine recht lange Laufbahn in der Modeindustrie hinter mir und irgendwann gemerkt: So wie Mode heute funktioniert, will ich nicht mehr mitmachen. Ich hatte früher Träume von einer riesigen Marke, vom Großen, vom Glanz. Aber während des Studiums und mit wachsender Erfahrung kam die Ernüchterung: Die Modeindustrie ist in vielen Bereichen katastrophal. Umweltverschmutzung, Ausbeutung, Ressourcenverschwendung – das sind reale Probleme.

Ich wollte ein Gegenmodell schaffen. Kein Greenwashing, sondern echte, transparente Nachhaltigkeit. HEL soll ein Label sein, das mit Haltung und Verantwortung gestaltet wird. Ich arbeite mit Stoffüberschüssen, produziere lokal und in Kleinauflagen, und sehe Mode als Instrument, um Sichtbarkeit für wichtige Themen zu schaffen. Ich will zeigen, dass Mode auch anders kann.“

HEL legt großen Wert auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung dieses Prinzips?

„Eine der größten Herausforderungen ist die Materialbeschaffung. Ich arbeite mit Reststoffen, oft aus Überschüssen anderer Modemarken. Das heißt aber auch: Ich weiß nicht immer genau, wie nachhaltig diese Stoffe ursprünglich produziert wurden. Es fehlt an Transparenz. Trotzdem ist es für mich nachhaltiger, diese Materialien zu nutzen, als neue zu produzieren.

Und dann gibt’s die Debatte Naturfaser vs. Synthetik: Klar, Naturfasern klingen erst mal besser. Aber wenn man sieht, wie viel Wasser z. B. beim Baumwollanbau verbraucht wird, kommt man auch da ins Zweifeln. Ich nutze auch hochwertige Synthetikstoffe – langlebig und robust. Nachhaltigkeit ist komplex. Für mich bedeutet sie vor allem: Vorhandene Ressourcen nutzen und Produkte schaffen, die bleiben.“

Inwiefern hat deine eigene Sicht auf Mode und Konsum HEL geprägt?

„Ich bin kein typischer Modekonsument. Ich komme aus einer Familie, in der man Dinge aufgetragen hat. Mode war für mich nie reiner Konsum, sondern immer auch Ausdruck. Ich finde, wir müssen wieder lernen, Kleidung zu wertschätzen. HEL steht für genau das: bewusstes Design, faire Produktion, ehrliche Materialien. Ich will nicht, dass Leute jeden Monat was Neues brauchen. Ich will, dass sie ein Teil haben, das ihnen wirklich etwas bedeutet. Und das auch nach Jahren noch tragbar ist – sowohl stilistisch als auch qualitativ.“

HEL nutzt Stoffüberschüsse anderer Modemarken und fertigt in Kleinauflagen. Wie wählst du die Materialien aus, und wie beeinflussen sie das Design?

„Ich arbeite fast ausschließlich mit Überhangstoffen. Was ich finde, beeinflusst, was ich mache. Manchmal habe ich nur zwei Meter von einem Stoff – daraus entsteht dann ein Unikat. Ich gestalte also oft aus der Ressource heraus. Das macht den Prozess sehr spannend und sorgt gleichzeitig für diese besondere Individualität. Es zwingt mich auch dazu, flexibel zu bleiben und mich nicht in Standardisierung zu verlieren. Gleichzeitig werden Design und Produktion bewusster, weil ich mit dem arbeite, was bereits existiert.

Ich produziere saisonunabhängig, wenn Bedarf da ist oder Stoffe verfügbar sind. Meine Teile sollen nicht nach drei Monaten out sein. Sie sollen langlebig sein – in ihrer Qualität und in ihrer Aussage. Viele Designs sind Unikate oder extrem limitiert. Manche Teile gibt es nur fünf- bis zehnmal auf der ganzen Welt. Oder nur ein einziges Mal. Das schafft automatisch eine gewisse Exklusivität. Die Reaktion der Kund:innen auf diese Limitierung ist oft überwältigend. Viele freuen sich riesig, ein Teil zu besitzen, das wirklich einzigartig ist. Eine Kundin trug ein Unikat auf einer Hochzeit in Frankreich und wurde so oft angesprochen, dass sie mir später schrieb: „Ich war so stolz sagen zu können, dass es dieses Kleid nur einmal auf der Welt gibt.“ Das sind die Geschichten, die HEL ausmachen.“

Welche Vorteile hat es, Kleidung lokal in Hamburg und auf Sylt zu fertigen, anstatt global zu produzieren? Warum ist dir die lokale Produktion so wichtig?

„Weil sie für mich alles bedeutet. Ich kenne die Menschen, die für HEL arbeiten. Ich kann mit dem Rad zur Schneiderei fahren und direkt Dinge besprechen. Das schafft eine Verbindung, die ich nie hätte, wenn irgendwo in Asien produziert würde. Klar ist das teurer. Aber lieber produziere ich mal nicht, als Kompromisse in der Ethik zu machen. Außerdem finde ich es wichtig, wieder Vertrauen in Deutschland als Textilstandort zu setzen. Es gibt hier großartige Schneider:innen, Know-how und Qualität. Warum das nicht nutzen?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich der Umweltaspekt. Ich möchte diese irrsinnig langen Transportwege, die bei globaler Produktion üblich sind, einfach nicht in Kauf nehmen. Kleidung, die um die halbe Welt reist, belastet das Klima enorm. Das widerspricht komplett meinem Anspruch an Nachhaltigkeit. Ich finde es unsinnig, ein Kleidungsstück tausende Kilometer reisen zu lassen, nur weil es woanders ein paar Euro günstiger produziert werden kann. Da bin ich lieber transparent, produziere lokal, und spare dadurch CO₂ und Ressourcen.“

HEL repräsentiert Vielfalt und Menschlichkeit. Wie setzt du diesen Ansatz in deinen Designs um?

„Vielfalt ist für mich kein Trend, sondern ein Grundpfeiler. Ich arbeite mit diversen Models, mit geschlechtsneutralen Schnitten und Kooperationen mit Künstler:innen aus unterschiedlichen Bereichen. In meinem Imagevideo sieht man z. B. Menschen aller Hautfarben, sexuellen Orientierungen und Körperformen. Das Teil selbst sagt oft gar nicht mehr: „Ich bin für Mann“ oder „Ich bin für Frau“. Und genau so soll es sein. Die Menschen, nicht das Geschlecht oder der Körper, stehen im Mittelpunkt.

Das Credo für meine Arbeit lautet „Human before Fashion“ – Mode ist toll, aber sie darf nie wichtiger sein als die Menschen dahinter. Der Mensch, der schneidert, näht, entwirft, ist wichtiger als das Produkt. Und auch der Mensch, der es trägt. Gerade in Zeiten von Spaltung, Rassismus, Homophobie ist das für mich essenziell. HEL soll zeigen, dass es um mehr geht als Oberfläche. Kleidung trägt Statements – und HEL trägt die Aussage: Der Mensch zählt mehr als das Kleidungsstück.“

Gibt es in deiner Kollektion ein Kleidungsstück mit besonderer Bedeutung für dich?

„Meine Bolerojacke „Frisia“. Der allererste Entwurf dieser Jacke stammt tatsächlich aus meiner Abschlusskollektion im Studium. Damals habe ich mich intensiv mit dem Thema friesische Tracht auseinandergesetzt – ich komme ja aus Nordfriesland – und wollte traditionelle Elemente in einen modernen Kontext übertragen. Die Idee war es, ein Stück zu schaffen, das meine Wurzeln widerspiegelt, aber gleichzeitig tragbar und zeitgemäß ist.

Die Jacke war ursprünglich ein Experiment – relativ kurz geschnitten, mit auffälligen, opulenten Ärmeln, ein bisschen spielerisch gedacht. Ich hätte nie gedacht, dass genau dieses Teil sich zu einem meiner Bestseller entwickeln würde. Dass etwas so Persönliches, das so eng mit meiner eigenen Geschichte und Herkunft verbunden ist, bei so vielen Menschen Anklang findet, freut mich riesig. Es zeigt mir, dass Authentizität und individuelle Geschichten auch im Design spürbar und wertgeschätzt werden können. Und genau darum geht es ja bei HEL: Persönlichkeit, Geschichte, Haltung – sichtbar gemacht durch Mode.“

Neben den eigenen Kollektionen bietet ihr auch Second-Hand-Mode und Accessoires an. Was war der Gedanke hinter „2ND HEL“?

„Ich komme aus dem Secondhand-Bereich, habe dort gearbeitet und selbst viel getragen. Second HEL ist mein Versuch, gute Stücke weiterzugeben und den Lebenszyklus eines bereits gefertigten Produktes zu verlängern. Vor allem Schuhe und Accessoires. Ich finde die Teile über Bekannte, Plattformen oder aus dem eigenen Netzwerk. Wichtig ist: Sie müssen stilistisch zu HEL passen und meinen Werten entsprechen. Marken, die für ausbeuterische Produktion bekannt sind, nehme ich nicht auf – auch wenn sie begehrt sind. Es geht um Qualität, Haltung und einen fairen Preis.“

Was bedeutet dir die Teilnahme an der BLICKFANG?

„Die BLICKFANG ist für mich ein großartiges Format. Sie bietet eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen man wirklich direkt mit den Kund:innen ins Gespräch kommt. Dort kann ich nicht nur meine Kollektion zeigen, sondern auch erklären, was dahintersteckt: die Idee, die Haltung, die Produktion, die Materialien. Es ist ein Ort für ehrlichen Austausch, und die Menschen, die zur BLICKFANG kommen, interessieren sich auch wirklich für das, was du tust – das ist ein ganz anderes Publikum als bei klassischen Verkaufsmessen.

Was ich außerdem toll finde, ist der Austausch mit den anderen Aussteller:innen. Viele verfolgen ähnliche Werte, haben eigene Geschichten und Perspektiven, und das inspiriert ungemein. Es entsteht ein echtes Gemeinschaftsgefühl – man hat nicht das Gefühl, in Konkurrenz zu stehen, sondern eher, gemeinsam an einer besseren Idee von Mode zu arbeiten. Für HEL ist die BLICKFANG deshalb nicht nur eine Verkaufsplattform, sondern auch eine wichtige Bühne für Dialog, Bewusstsein und Begegnung.“

Was möchtest du mit HEL langfristig erreichen und was wünschst du dir von der Modeindustrie?

„Ich will ein Umdenken im Konsumverhalten. Konsument:innen haben so viel Macht Dinge zu verändern allein durch ihr Kaufverhalten, diese Macht muss genutzt werden. Mehr Bewusstsein, mehr Fragen, mehr Wertschätzung. Ich möchte wachsen, ohne mich zu verbiegen. Eigene Läden, mehr Kooperationen oder soziale Projekte. HEL soll zeigen, dass Mode beständig sein kann, dass Handwerk zählt und dass es eben nicht normal ist, Kleidung wie Wegwerfware zu behandeln.

Von der Modeindustrie wünsche ich mir mehr Verantwortung. Die großen Player hätten das Kapital, die Reichweite, den Einfluss. Aber sie nutzen ihn oft nicht. Stattdessen Greenwashing, leere Versprechen, immer weiter, immer schneller. Ich wünsche mir Ehrlichkeit, Mut zum Wandel und den Willen, fair und nachhaltig zu produzieren. Wenn wir kleinen Labels es schaffen, warum dann nicht auch die Großen?“

Auf der BLICKFANG Hamburg 2025 kannst du Helmut vom 16.-18. Mai persönlich kennenlernen, die neue Kollektion von HEL live entdecken und deine liebsten Teile direkt mitnehmen!

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