
Mit ihrer ersten eigenen Kollektion YUAN bricht sie nicht nur mit klassischen Designvorstellungen, sondern führt uns zurück zu den Wurzeln eines Materials, das in der westlichen Welt oft nur als traditionell und „glatt“ wahrgenommen wird – Porzellan. Doch Hongyi Zhu verbindet dieses edle Material meisterhaft mit modernen Designansätzen und formt daraus etwas Neues und zugleich Zeitloses. Ihre Werke erzählen Geschichten von Balance, von der Harmonie zwischen Tradition und Innovation, und laden uns ein, Design auf eine ganz neue, sinnliche Weise zu erleben.
Doch wie kam es zu diesem mutigen Schritt, ein eigenes Studio zu gründen? Welche Vision steckt hinter der Kollektion YUAN? Und was fasziniert sie an dem unvorhersehbaren Moment, wenn der Brennofen geöffnet wird?
In unserem Gespräch erfahren wir mehr über die Wege einer Designerin, die in China und Hamburg studierte, sich dem Porzellan verschrieb und in der Werkstatt der Universität weiter an ihren Ideen feilt. Wir tauchen ein in die Welt der Formen und Materialien, die nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch und haptisch zum Erlebnis werden.

Hongyi Zhu, Gründerin von HONi Studio

Hongyi, Du hast im Sommer 2024 dein eigenes Designstudio „HONi Studio“ gegründet. Was war der ausschlaggebende Moment, ein eigenes Label zu gründen? Wie bist du überhaupt zu diesem Punkt gekommen?
„Ja, genau, ich habe 2024 mein Studio gegründet. Der Wunsch, mein eigenes Label zu etablieren, war für mich immer ein klarer Zielpunkt. Schon während meines Studiums habe ich mich intensiv mit der Idee der Selbstständigkeit auseinandergesetzt und mich darauf vorbereitet. Da ich mich seit meiner Kindheit für Kunst und Design interessiere, habe ich sowohl im Bachelor – als auch im Masterstudium Design studiert. In meinem Masterstudium lag der Fokus auf offener, interdisziplinärer Arbeit – mein Professor hat uns dazu ermutigt, Design, Kunst und Kultur zu verbinden und keine festen Grenzen zu setzen. Diese Offenheit war für mich entscheidend, denn ich wollte stets meine eigenen Ideen umsetzen und ein eigenständiges Studio gründen.“
Wie bist du zum Material Porzellan gekommen und was fasziniert dich daran?
„Vor etwa zehn Jahren hatte ich die Gelegenheit, mit Alsterarbeit zusammenzuarbeiten. Alsterarbeit ist eine Einrichtung, in der Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam an verschiedenen Projekten arbeiten. Im Rahmen dieser Kooperation hatte ich die Chance, mit der Keramikwerkstatt zu arbeiten. Das war mein Einstieg in die Welt der Keramik und des Porzellans. Was mich an Porzellan fasziniert, ist nicht nur die Geschichte dieses Materials, sondern auch die Unvorhersehbarkeit des Brennprozesses. Wenn der Ofen geöffnet wird, weiß man nie genau, wie das Ergebnis aussehen wird. Dieser Aspekt des Ungewissen hat mich immer wieder gereizt – es war wie das Öffnen einer „Büchse der Pandora“, die mich immer weiter in die Welt der Keramik gezogen hat.“
Welche Werte und Prinzipien sind dir in deiner Arbeit als Designerin besonders wichtig?
„Für mich ist Funktionalität ein zentraler Aspekt, aber auch die Auseinandersetzung mit dem Material selbst. Ich finde es wichtig, das Material so zu gestalten, dass es seine besten Eigenschaften zur Geltung bringt. Ästhetik spielt natürlich auch eine große Rolle. Es ist mir wichtig, Designs zu schaffen, die sowohl optisch ansprechend sind als auch in ihrer Funktionalität überzeugen.“
Was möchtest du mit deinen Designstücken den Menschen vermitteln?
„Porzellan ist ein so altes und klassisches Material, aber viele kennen es nur in der glasierten Form. Dabei ist das Original oft unglasiert, und das wissen viele nicht. Mit meinen Designs möchte ich den Menschen diese Haptik näherbringen – die Textur und das Gefühl, das entsteht, wenn man die unglasierte Oberfläche spürt. Gleichzeitig möchte ich zeigen, wie die Kombination aus der unglasierten und der glasierten Oberfläche eine besondere Verbindung schafft. Es geht mir darum, das Design für die Menschen erlebbar zu machen, sodass sie nicht nur das Äußere sehen, sondern die gesamte Materialität und den Konzeptgedanken dahinter verstehen können.“



Deine erste eigene Kollektion dreht sich um den Kreis und interpretiert den Kreis als Symbol für Balance und Harmonie. Wie fließt das in den Designprozess ein?
Oder wie beeinflusst der Kreis das Design?
„Der Name der Kollektion ist YUAN, das bedeutet auf chinesisch „Kreis“. Bei meinem Designkonzept spielt der Kreis eine zentrale Rolle. Ich wollte sowohl die Ursprungsform als auch das Material in einem geschlossenen Kreislauf darstellen – als Symbol für Kontinuität, Entwicklung und Verbindung von Tradition und Modernem Design. Deshalb habe ich die Elemente bewusst in Kreisform angeordnet. Der Kreis steht für mich für etwas Zeitloses, das sich in jede Situation einfügt. In meiner Arbeit verbindet sich das traditionelle Material mit modernen Designansätzen zu einer neuen Einheit. Wenn man das Werk von oben betrachtet, erkennt man diese Verbindung besonders gut. Es zeigt, wie sich Tradition und Funktionalität im Kreis vereinen.“
Bei HONi Studio vereinst du traditionelles Handwerk und modernes Design. Wie gelingt es dir, die jahrhundertealte Porzellankunst mit minimalistischen, zeitgenössischen Elementen zu kombinieren, ohne dass das eine das andere überlagert?
„Genau darum geht es in meiner Arbeit – um die bewusste Kombination von traditionellem Handwerk und modernem Design. Ich verbinde die jahrhundertealte Porzellankunst mit zeitgenössischen Elementen, indem ich den gesamten Gestaltungsprozess als eine Art 360-Grad-Erfahrung betrachte. Zum Beispiel wirkt eine Seite eines Objekts sehr klassisch und traditionell, während eine andere Seite eine unerwartete, moderne Form zeigt. Diese Spannung zwischen Alt und Neu ist gewollt. Es geht mir nicht darum, dass das eine das andere überlagert, sondern dass sich beide Ebenen gegenseitig ergänzen. Die traditionelle Form wird aufgenommen und in einen neuen Kontext gesetzt – so entsteht etwas, das sowohl vertraut als auch innovativ wirkt.“
Wie gehst du an den kreativen Prozess heran? Begonnen mit der ersten Idee, wie entsteht ein neues Stück? Gibt es bestimmte Routinen oder Inspirationsquellen, die dich regelmäßig zu neuen Designs führen?
„Die Idee für diese Kollektion entstand tatsächlich aus einer Alltagssituation: Ich trinke sehr gerne aromatische Getränke wie Kaffee oder Tee – vielleicht auch, weil ich aus einer Teeprovinz in China komme. Meine ausgeprägte Neugierde und mein Interesse an alltäglichen Beobachtungen führen häufig zu neuen gestalterischen Ansätzen. So ist mir beispielsweise aufgefallen, dass viele Tassenformen sehr offen gestaltet sind, wodurch sich das Aroma schnell verflüchtigt. Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Wie könnte man ein Gefäß gestalten, das das Aroma besser hält und den Genuss intensiviert?
Das war der Ausgangspunkt. Ich habe angefangen, mit verschiedenen Materialien zu experimentieren – Ton, aber vor allem auch mit Porzellan. Porzellan hat mich besonders überzeugt, weil es ein sehr festes, gleichzeitig aber feines und elegantes Material ist. Ich wollte herausfinden, wie ich seine Eigenschaften nicht nur funktional, sondern auch gestalterisch einsetzen kann.
Mein kreativer Prozess für HONi Studio beginnt also oft mit einer konkreten Beobachtung oder Fragestellung aus dem Alltag – einer Art „Problemfindung“. Danach wird es kreativer: Ich überlege, wie sich dieses Problem ästhetisch und gestalterisch lösen lässt, was schön aussieht, was sich gut anfühlt. Es ist eine Mischung aus funktionalem Denken und gestalterischer Neugier, die meine Arbeit prägt.“

Du verwendest besonders hochwertiges Porzellan, das für seine Reinheit und Qualität bekannt ist. Was sind die Herausforderungen bei der Arbeit mit diesem Material, und warum hast du dich speziell für Porzellan entschieden?
„Die Arbeit mit Porzellan ist sehr faszinierend, aber auch voller Herausforderungen. Porzellan ist ein feines, aber starkes Material, das bei hohen Temperaturen gebrannt wird – allerdings reagiert es sehr empfindlich auf Ungleichgewichte, gerade bei komplexen oder asymmetrischen Formen. Während des Brennprozesses kann es leicht zu Verformungen kommen, da die Hitzeverteilung und die Materialstärken nicht überall gleich sind. Eine Seite mit mehr Masse speichert die Hitze länger, was dazu führen kann, dass sich das Stück verzieht oder gar bricht.
Am Anfang war das besonders herausfordernd – ich habe rund 30 Versuche gebraucht, um ein wirklich gelungenes Stück zu erhalten. Alles beginnt schon bei der Formgebung mit Gipsformen. Gerade weil ich mit kugelförmigen Elementen arbeite, mussten die Formen aus mehreren Teilen bestehen. Auch das Zusammensetzen war sehr aufwendig, weil jedes Einzelteil exakt passen musste, um später im Brennofen stabil zu bleiben.
Der gesamte Herstellungsprozess ist stark getaktet. Ich arbeite mit mehreren Timern gleichzeitig – ein Timer sagt mir, wie lange ein Stück in der Glasur sein darf, ein anderer, wann es umgedreht oder weiterbearbeitet werden muss. Das ist alles andere als meditativ, eher wie ein choreografierter Ablauf. Nur so kann ich sicherstellen, dass das Ergebnis exakt meinen Vorstellungen entspricht.
Nach dem ersten Brand (dem Schrühbrand) kann ich die Oberfläche noch einmal fein nachbearbeiten. Dann folgt der Glasurauftrag, bei dem ich genau darauf achte, dass bestimmte Bereiche unglasiert bleiben – auch das muss mit dem Pinsel sehr präzise gemacht werden. Schließlich folgt der Glattbrand. Und wenn das Stück sich doch verformt oder Risse bekommt, wird es nicht einfach entsorgt: Kleinere Bruchstücke verwende ich weiter als Baumaterial – etwa in Form von keramischem Schutt, ähnlich wie Backsteinbruch.
Trotz all der technischen Präzision liebe ich diesen Prozess. Gerade weil jedes Stück handgemacht ist, bleibt eine gewisse Spur der Entstehung immer sichtbar – und das macht für mich auch den besonderen Wert aus.“

Du hast vorhin schon kurz erwähnt, dass dein Geschirr dazu beiträgt, dass Speisen und vor allem Getränke ihr Aroma und ihre Wärme länger behalten. Kannst du vielleicht noch einmal zusammenfassen, worin der Unterschied zu herkömmlichem Geschirr liegt und wie deine Gestaltung den bewussteren Genuss unterstützt?
„Mein Geschirr ist so gestaltet, dass es das Aroma und die Wärme von Getränken optimal bewahrt und gleichzeitig zu einem bewussteren Genussmoment einlädt. Die Tasse hat keinen Henkel – das ist eine ganz bewusste Entscheidung. Man nimmt sie direkt in die Hand, spürt die Wärme des Getränks, und merkt sofort: Es geht nicht darum, schnell zu trinken, sondern sich Zeit zu nehmen. Die dickere Wandstärke des Porzellans sorgt dafür, dass die Wärme länger gespeichert wird. Das Getränk kühlt langsamer ab, wodurch man den Moment des Trinkens selbst besser timen kann – man wartet, bis die Temperatur genau richtig ist.
Auch die Form spielt eine zentrale Rolle: Sie ist nach oben hin nicht gerade oder nach außen geöffnet, sondern leicht nach innen gewölbt und erinnert damit an ein Weinglas. Sie ist so gestaltet, dass sich die Aromen im Inneren sammeln und konzentrieren können. Beim Trinken steigt das Aroma direkt zur Nase auf – ein sensorisches Erlebnis, bei dem Geschmack und Geruch zusammenkommen. Man nimmt das Getränk nicht nur mit dem Gaumen wahr, sondern mit dem ganzen Gesicht, mit der Haut, mit der Hand.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Zusammenspiel von glasierten und unglasierten Oberflächen. Die Kombination erzeugt eine besondere Haptik, die vor allem bei warmen Getränken spürbar wird. Die unglasierte Fläche fühlt sich natürlich und griffig an, während die glasierte Fläche glatt und kühl wirkt. Dieses Wechselspiel betont die Handarbeit und macht das Halten der Tasse zu einem taktilen Erlebnis – man spürt das Material, die Temperatur, die Form. Das Zusammenspiel von Haptik, Wärme und Duft macht das Trinken zu einem ganzheitlichen, entschleunigten Erlebnis.“
Dein Studio befindet sich aktuell noch in einer gemeinschaftlich genutzten Werkstatt. Wie läuft deine Arbeit dort ab – und wie stellst du dir das für die Zukunft vor? Möchtest du irgendwann ein eigenes Atelier haben?
„Ja, im Moment arbeite ich in einer gemeinschaftlich genutzten Keramikwerkstatt, die es mir ermöglicht, meine Projekte weiterzuentwickeln und mich kreativ zu entfalten. Gerade im Bereich Porzellan ist der Zugang zu professionellen Geräten wie Brennöfen und speziellen Arbeitsplätzen essenziell – ohne große Investitionen ist das sonst kaum realisierbar. Ich bin sehr dankbar, Teil dieser Arbeitsgemeinschaft zu sein und den Raum mit anderen Gestaltenden zu teilen.
Natürlich träume ich davon, in Zukunft mein eigenes Atelier zu haben – einen Ort, der ganz auf meine Arbeitsweise abgestimmt ist. Aber im Moment schätze ich diesen Rahmen sehr, weil er mir die Freiheit gibt, an meinen Ideen weiterzuarbeiten und gleichzeitig im Austausch mit anderen zu bleiben.“
Dein Einstieg nach dem Studium hat durch einen besonderen Auftrag begonnen, kannst du uns dazu mehr erzählen?
„Die Universität war gewissermaßen mein erster Auftraggeber: Sie haben meine Arbeiten gesehen, bestellt – und mir damit auch den Einstieg nach dem Studium erleichtert. Ich empfinde das als große Wertschätzung und Unterstützung, gerade weil es der Anspruch der Hochschule ist, junge Gestaltende auch über den Abschluss hinaus zu fördern. Für diesen Auftrag habe ich zwei verschiedene Tassen mit dem Uni-Logo hergestellt. Sie werden für Gäste und Besucher der Hochschule genutzt.
Mir war es wichtig, der Uni, an der ich studiert habe, auch etwas zurückzugeben. Deswegen war das ein besonders schönes Projekt für mich – zu wissen, dass meine Arbeiten nicht nur ausgestellt, sondern tatsächlich im Alltag verwendet werden. Unser Präsident hat sich sehr darüber gefreut und nutzt die Tassen auch gern, um sie Gästen zu zeigen – mit dem Hinweis, dass sie von einer ehemaligen Studierenden gestaltet wurden. Das bedeutet mir viel.“


Du kombinierst bei HONi Studio experimentelle Materialforschung mit Design – du hattest vorhin erzählt, dass du schon mit verschiedenen Materialien gearbeitet hast. Gibt es Materialien, mit denen du in Zukunft gerne noch arbeiten würdest?
„Ja, ich habe bereits mit Metall, Holz und Kunststoffen gearbeitet. In Zukunft würde ich gern noch mehr mit Holz machen – das Material fasziniert mich, vor allem im Zusammenhang mit Möbeln oder größeren Objekten. Keramik wird zwar weiterhin mein Hauptmaterial bleiben, aber ich kann mir gut vorstellen, Holz oder auch Kunststoff gezielt einzusetzen und zu kombinieren.“
Du bist dieses Jahr zum ersten Mal bei der BLICKFANG dabei – was erwartest du dir von deiner Teilnahme, was sind deine Wünsche?
„Ich wünsche mir vor allem, dass HONi Studio durch die BLICKFANG sichtbarer wird. Allein, ohne Team oder großes Marketing, ist es schwer, Reichweite zu bekommen. Ich freue mich sehr auf das Feedback vom Publikum – ich bin gespannt, wie die Leute auf meine Designs reagieren. Natürlich hoffe ich auch, einige Stücke verkaufen zu können. Aber noch wichtiger ist mir, dass die Menschen verstehen, wie viel Idee und Designarbeit in jedem Teil steckt.
Die BLICKFANG ist eine großartige Plattform, um sich zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Ein Label zu gründen bedeutet nicht nur gestalten – es gibt so viele weitere Bausteine, die man zusammenbringen muss. Da ist der Austausch unglaublich hilfreich.“
Auf der BLICKFANG Hamburg 2025 kannst du Hongyi vom 16.-18. Mai persönlich kennenlernen, die YUAN Kollektion von HONi Studio live entdecken und deine liebsten Teile direkt mitnehmen!
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