Cape de Coeur im Gespräch: Vom Regenmantel zum Couture-Cape

Wenn es in Vancouver regnet – und das tut es ziemlich oft – hat Bettina Müller Reichl eine elegante Antwort darauf: Capes, die Wettertauglichkeit und zeitlose Eleganz verbinden. Mit ihrem Label Cape de Coeur hat die gebürtige Österreicherin eine eigene Nische geschaffen: luxuriöse, funktionale Capes, die gleichermaßen Schutz und Stil bieten. Bettina bringt dafür eine beeindruckende Laufbahn mit: Von der Wiener Modeschule über Stationen in der Kostümdesign- und Sportswear-Welt bis hin zur Gründung ihres Labels in Kanada. In Cape de Coeur vereinen sich künstlerische Eleganz, technisches Know-how und eine klare Haltung zu Verantwortung und Nachhaltigkeit. Wir haben mit Bettina über die Entstehung ihres Labels, ihren eigens entwickelten Stoff CoeurTex™ und ihre Vision von verantwortungsvoller Mode gesprochen.

Bettina Mueller-Reichl und ihr Ehemann
Der Name Cape de Coeur ist ein schönes Wortspiel – was bedeutet der Name für Dich persönlich?
„Die Geschichte ist ziemlich interessant, denn der Name hat die Ausrichtung meines Labels mitgeformt. Am Anfang wollte ich Capes und Mäntel designen. Eine talentierte Copywriterin entwickelte den Namen ‚Cape de Coeur‘, abgeleitet vom französischen ‚Coup de Coeur‘, das in Modemagazinen ein potenzielles Lieblingsstück beschreibt. Die Idee, mich ganz auf Capes zu spezialisieren und diese perfekt zu machen, hat mich sofort begeistert. So wurde aus einem Namen ein Konzept: Ich beschloss, ein einziges Produkt zu machen, dafür aber richtig gut, und dafür werde ich die Go-to-Brand sein.“

Dein Weg führte von der Wiener Modewelt über Sportbekleidung für Große Labels bis hin zur Couture-Regenbekleidung in Vancouver. Wie fließen deine beruflichen Stationen in deine heutige Arbeit ein?
„Mein beruflicher Weg hat mich im Grunde wieder zu meinen Anfängen zurückgebracht, aber mit all dem Wissen, das ich über die Jahre gesammelt habe. Am Anfang meiner Karriere hatte ich mein eigenes kleines Modellabel in Wien und habe nebenbei Kostümdesign für die Oper und Film gemacht, bin dann aber in die Sportswear-Industrie gerutscht. Dort habe ich gelernt, dass ein Kleidungsstück mehr sein muss als ein trendiges Fashion-Teil, das man nur eine Saison lang trägt. Es geht um Langlebigkeit und um den ‚Purpose‘. All dieses technische Wissen darüber, wie man ein funktionales, langlebiges Kleidungsstück entwickelt, fließt jetzt in meine Capes ein. Ich glaube, die Kombination aus meinen künstlerischen Anfängen und dem technischen Know-how aus der Sportswear-Industrie macht meine Capes so einzigartig.“
Euer eigens für Cape de Coeur entwickelter Stoff CoeurTex™ gilt als Herzstück der Designs. Was macht dieses Material so besonders – auch im Vergleich zu klassischen Performance-Stoffen?
„Ich wollte keinen Stoff ‚von der Stange‘ nehmen, sondern ein Material, das meinen Vorstellungen entspricht. Ich wollte die Performance einer High-Tech-Regenjacke, aber mit der weichen Haptik und dem fließenden Fall eines Wollmantels. Es war eine Suche, die fast zwei Jahre gedauert hat, aber ich habe einen Stofflieferanten gefunden, mit dem ich das Material von Grund auf neu entwickeln konnte. Die Außenschicht und die Innenschicht sind gewirkt, nicht gewebt wie bei herkömmlichen Outdoor-Jacken. Dazwischen liegt eine moderne Membran, die wasserdicht und gleichzeitig atmungsaktiv ist. Ich wollte das typisch raschelnde, steife Gefühl eines technischen Stoffes vermeiden. Außerdem ermöglicht uns die Struktur des Stoffes, eigene Muster zu designen. Die Entwicklung war eine Reise für sich, aber das Ergebnis ist ein Material, das genau das darstellt, was ich mir vorgestellt habe.“
Die Capes sind das Ergebnis von jahrelanger Entwicklung und ständiger Verbesserung. Wie definierst du verantwortungsvolle Luxusmode?
„Für mich besteht Luxus in der Verantwortung. Das beginnt bei den Lieferanten: Ich weiß, wer die Stoffe produziert, wo die Capes hergestellt werden und unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten. Ich habe mich bewusst für europäische Produzenten in Deutschland und Portugal entschieden, die höchste Umwelt- und Sozialstandards erfüllen. Bei der Manufaktur in Portugal, mit der ich schon lange zusammenarbeite, ist Transparenz selbstverständlich. Das Zweite ist die Produktion in sehr kleinen Mengen. Wir schmeißen nichts weg – auch keine Stoffreste. Aus den kleinsten Resten machen wir Accessoires wie Hüte oder Ansteckblumen. Und zu guter Letzt geht es um die Langlebigkeit der Capes selbst. Unsere Designs folgen keinen schnellen saisonalen Trends, sondern sind zeitlose Stücke, die man in zehn Jahren noch mit Freude tragen kann.“
Mit der Zusammenarbeit mit der Pollinator Partnership zeigt Cape de Coeur, dass Nachhaltigkeit bei euch über die Lieferkette hinausgeht. Wie entstand diese ungewöhnliche Verbindung?
„Ich habe eine Leidenschaft, die ich nicht verleugnen kann: Bienen und Insekten. Ich finde es extrem wichtig, dass wir auf sie achten. Ich wollte einfach irgendetwas machen, wo ich mein Label mit meiner persönlichen Leidenschaft verbinden kann. Auch wenn wir vielleicht nur ein paar Leute erreichen, hoffe ich, dass sie sich fragen: ‚Was ist das Pollinator Project?‘ und sich mit dem Thema beschäftigen. Diese Organisation kümmert sich darum, dass Gärten und Felder wieder zu natürlichen Lebensräumen für Bienen und Insekten werden. Die Bienen und Kolibris, die wir auf unseren Capes als Muster haben, spiegeln das wider. Jeder kann etwas beitragen, und das ist meine Mission mit diesem Projekt.“

Der Modealltag in Vancouver unterscheidet sich stark von Wien oder Paris. Welche kulturellen Unterschiede haben deine Designs beeinflusst?
„Ich sehe mich als Europäerin mit tiefen österreichischen Wurzeln. Die Jugendstil-Architektur in Wien, die mich mein Leben lang umgeben hat, hat meinen Stil stark geprägt. Spannenderweise ist der Jugendstil wiederum stark von der japanischen Ästhetik beeinflusst, was erklärt, warum japanisches Design auch meine Capes inspiriert. Der entscheidende Auslöser für das Label war jedoch das ständige regnerische Wetter in Vancouver. Es gab nichts Schönes zum Anziehen, was mich als Modeenthusiastin frustrierte. Das hat mich dazu inspiriert, elegante, wetterfeste Kleidung zu entwerfen. Die Natur in Vancouver hat auch einen großen Einfluss auf meine Designs. Die Vögel und die Flora der Region finden sich in den Mustern meiner Stoffe wieder. Die kanadische Kultur hat aber auch die Expertise geliefert, die ich brauchte, um die Capes umzusetzen – Experten für Hightech-Kleidung, die es in Europa kaum gibt.“

Wer trägt die Mode von Cape de Coeur? Was für ein Bild hast du von deiner Kundschaft im Kopf?
„Unsere Kunden sind häufig Menschen mit einer beruflichen Karriere. Ich sehe sie als professionelle, kreative und selbstbewusste Persönlichkeiten, die Wert auf Qualität, Design und Funktionalität legen. Oft tragen sie teure Kleidung, und sie kennen das Dilemma: Wie schützt man ein teures Outfit auf dem Weg zum Meeting, ohne eine hässliche Regenjacke zu tragen? Unser Cape nimmt ihnen diese Entscheidung ab. Es ist gleichzeitig praktisch und elegant. Es sind Menschen, die sich trauen, aus der Masse herauszustechen, denn man wird mit einem Cape de Coeur überall angeschaut und auch oft angesprochen. Unsere Kund:innen erzählen mir, dass sie von Fremden auf der Straße gestoppt werden. Das ist ein tolles Gefühl, weil es zeigt, dass unser Design einen Nerv trifft.“
Deine Arbeitsweise ist sehr spannend, Du arbeitest in einem dezentralen, globalen Netzwerk mit Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen. Wie beeinflusst diese Arbeitsweise deine Arbeit?
„Ich habe von Anfang an beschlossen, mir für alles, was ich nicht perfekt kann, einen Experten zu holen. Die Zusammenarbeit mit der Expertin, die die Capes zusammen mit mir phyisch entwickelt hat, war zum Beispiel unverzichtbar. Ohne sie hätte ich das niemals geschafft. Auf der anderen Seite habe ich im Laufe der Zeit gelernt, wann ich wirklich Hilfe brauche und wann ich mir auch selbst helfen kann. Das war eine spannende Reise, die mich selbstbewusster gemacht hat. Man wird mit der Zeit auch ein bisschen Marketing-Expertin und Social-Media-Expertin. Das Ganze hat mich gelehrt, sicher nach Hilfe zu fragen, wenn ich sie brauche, und die Expertise anderer wertzuschätzen. Man kann nicht alles allein können.“



Und zum Schluss: Worauf dürfen wir uns bei deinem Label als Nächstes freuen?
„Als Erstes freue ich mich, dass ich den Sam Carter Design Award in British Columbia für mein Label bekommen habe! Das zweite ist, dass ich jetzt mit einem österreichischen Stofflieferanten und einer kleinen Manufaktur zusammenarbeite, um neue Woll-Capes zu entwerfen. Die Wolle ist 100% ökozertifiziert und die gesamte Lieferkette ist österreichisch. Ich freue mich schon sehr auf dieses neue Projekt, weil es wieder spannend ist, mit einem ganz anderen Material zu arbeiten.“
Bettina kannst du übrigens persönlich an der BLICKFANG in München, Wien oder Zürich kennenlernen, noch mehr über ihre Geschichte und ihre Produkte erfahren und diese natürlich direkt kaufen. Hier geht es direkt zu den den Tickets!
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