Eudemia: Wenn Möbel die Welt neu denken

Jonas Finkeldei und sein junges Label eudemia feiern auf der BLICKFANG ihre Deutschlandpremiere – und bringen eine radikale Vision mit: Möbel, die keinen Abfall hinterlassen, sondern im Kreislauf bleiben. Mit Mut zur Materialforschung und einem konsequent zirkulären Ansatz erinnert eudemia an die großen skandinavischen Designtraditionen – nur eben für das 21. Jahrhundert. Wir haben mit Jonas über Reststoffe als Ressource, Materialinnovation und die Zukunft des Möbelbaus gesprochen.

Möbel im Kreislauf gedacht
BLICKFANG: Jonas, eudemia ist noch jung. Worum geht es euch?
Jonas Finkeldei: Unser Ziel ist es, das „Cradle to Cradle“-Prinzip ins Möbeldesign zu übertragen. Wir entwickeln Möbel, die am Ende ihres Lebenszyklus keinen Müll erzeugen, sondern vollständig in den Naturkreislauf zurückkehren. Ich übernehme das Produktdesign, mein Mitgründer Chris Baumhöer verantwortet Innovation und Kommunikation. eudemia soll zeigen: Möbel können kreislauffähig, ästhetisch und langlebig sein – ohne Kompromisse.

Wenn Abfall zur Ressource wird
BLICKFANG: Kreislauffähigkeit klingt anspruchsvoll. Wie setzt ihr das um?
Jonas Finkeldei: Wir arbeiten mit schnell nachwachsenden Rohstoffen, die sonst keine Verwendung mehr hätten. Dazu gehören Strauchschnitte vom Straßenrand, Tomatenstauden nach der Ernte oder sogar Grasfasern vom Flughafen in Amsterdam. Diese Abfallströme verwandeln wir in hochwertige Plattenmaterialien. So beanspruchen wir keine neuen Flächen, nutzen das, was ohnehin anfällt, und machen daraus etwas Neues und Wertvolles.
BLICKFANG: Wie seid ihr auf solche ungewöhnlichen Materialien gestoßen?
Jonas Finkeldei: Das geht zurück auf das deutsch-niederländische Projekt „RealiseBio“. Dort werden Reststoffe systematisch erforscht und aufbereitet. Wir übersetzen diese Materialien ins Möbeldesign. Neben Tomatenpflanzen oder Grasfasern nutzen wir auch Hanf oder sogar Platten aus recycelten Jeans-Fußeln. Es ist unglaublich, wie Abfall plötzlich zum Gestaltungsstoff wird.
Kreislauf bis ins Detail
BLICKFANG: Gerade bei Verbindungen und Oberflächen ist Recycling oft ein Problem. Wie löst ihr das?
Jonas Finkeldei: Wir verzichten bewusst auf Schrauben oder Kunststoffelemente. Stattdessen entwickeln wir Steckverbindungen, direkt ins Material gefräst – stabil, unsichtbar und am Ende sortenrein trennbar. Ein weiterer Schwerpunkt sind biobasierte Oberflächen. Traditionelles HPL enthält schwer recycelbare Kunstharze. Unsere Bio-HPL-Beschichtung setzt auf nachwachsende Rohstoffe und kompostierbare Polymere. Ziel ist ein vollständig kreislauffähiges Möbel – bis zur letzten Schicht.
Form folgt Material
BLICKFANG: Eure Haltung erinnert an die großen dänischen Designer. Habt ihr Vorbilder?
Jonas Finkeldei: Für uns ist das Material selbst das Vorbild. Wir fragen: Was kann es? Wie lässt es sich biegen? Wie fühlt es sich an? Unsere Entwürfe entstehen aus den Eigenschaften des Materials. So hat jedes Stück seine eigene Identität – geprägt vom Stoff, aus dem es gemacht ist.
Weltpremiere auf der BLICKFANG
BLICKFANG: Welches Möbelstück zeigt ihr erstmals in Deutschland?
Jonas Finkeldei: Unseren Beistelltisch – er lebt das Prinzip Circular Design besonders deutlich. Das Material lässt sich allein mit Wasser biegen, kein aufwendiges Pressen nötig. Nach dem Trocknen behält es die Form. Für die Auflage nutzen wir ein Hanf-basiertes Lederersatzmaterial von Revoltech. Der Tisch ist unser Prototyp – und unsere Premiere auf der BLICKFANG.


Möbelbau der Zukunft: Lokal und dezentral
BLICKFANG: Bedeutet eure Vision, dass man Möbel künftig lokal fertigen lassen kann?
Jonas Finkeldei: Zumindest bedeutet es, dass wir alles, was wir zum Produzieren brauchen an einem Ort verfügbar haben und wir unabhängig vom Weltmarkt und Verfügbarkeit sind. Lokale Ressourcen werden direkt zu Plattenmaterialien weiterverarbeitet und können dank unsere Konstruktionslösungen auch in jeder gut ausgestatteten Tischlerei ohne zusätzliche Beschläge, Dekore oder ähnlichem umgesetzt werden. Dies nennt sich dezentrale Fertigung: Baupläne online bestellen, Möbel regional in einer Tischlerei fertigen lassen – ähnlich wie ein „Copyshop für Möbel“. Das verbindet kurze Lieferketten, regionale Materialien und handwerkliche Qualität. Projekte wie „Production Next Door“ in Hamburg zeigen bereits, wie das funktionieren kann.
Resonanz erwünscht
BLICKFANG: Was versprecht ihr euch von der BLICKFANG?
Jonas Finkeldei: Wir wünschen uns Offenheit und Neugier. Es geht nicht nur um schönes Design, sondern darum, eine Diskussion anzustoßen: Möbel müssen Teil einer echten Kreislaufwirtschaft werden. Wir hoffen, dass die Besucher inspiriert nach Hause gehen – und vielleicht das Gefühl haben: Genau so sieht die Zukunft des Wohnens aus.
Auf der BLICKFANG München kannst du Jonas persönlich kennenlernen, die Möbelstücke aus nächster Nähe betrachten und direkt kaufen. Hier geht es zu den Tickets!