„Exzentrischer Minimalismus“ – Studio Dehgraf im Gespräch


Vom IT-Architekten zum Designer, der mit 3D-Druck, Aluminium und feinem Gespür für Proportionen experimentiert: Eduard, Gründer des Zürcher Studios Dehgraf, zeigt, wie Technologie und Handwerk verschmelzen können. Ein Gespräch über Intuition, Langlebigkeit, lokale Produktion – und warum manchmal die perfekte Vase mehr mit Emotion als mit Form zu tun hat.
Eduard, du hast ursprünglich in der IT gearbeitet. Wie bist du persönlich zum Design gekommen – und wie hat sich dein Weg bis zu deinem heutigen Studio entwickelt?
„Mein Weg war ehrlich gesagt alles andere als geradlinig. Ich war als Lösungsarchitekt in der IT tätig – da ging es darum, digitale Probleme funktional zu lösen. Aber eigentlich wollte ich immer Architekt werden. Irgendwann habe ich beschlossen, das Thema für mich privat zu verfolgen und Architektur im Selbststudium zu studieren. Da habe ich die Grundlagen gelernt: Linien, Proportionen, Funktionalität. Das Handwerkliche, was man braucht, um wirklich zu gestalten.“
Er lacht. „Parallel dazu habe ich meine Liebe zum Produktdesign entdeckt. Ich war schon immer fasziniert von Lampen und Stühlen – meine zwei großen Schwächen. In Brockenhäusern habe ich nach alten Designstücken gesucht, sie studiert, gesammelt. Irgendwann wollte ich nicht mehr nur bestaunen, sondern selbst schaffen. Der 3D-Druck war dann mein Einstieg, weil ich einfach Formen umsetzen wollte, die ich schon im Kopf hatte.“
Das heißt, du hast dir das meiste selbst beigebracht?
„Ja, sehr viel ist autodidaktisch entstanden. Ich habe unzählige Stunden auf YouTube verbracht, in Foren gelesen und mit befreundeten Architekten gesprochen. Ich zeichne bis heute alles von Hand, modellierte anfangs mit Holz, Styropor oder Karton – bis ich gemerkt habe, dass der 3D-Druck mir ganz neue Möglichkeiten gibt. Heute haben wir fast 20 Drucker im Studio. Das ist keine Spielerei mehr, sondern echte Produktion.“
Wie würdest du die Philosophie hinter Studio Dehgraf in einem Satz beschreiben?
„Ich würde sagen: minimalistisches Design mit Raum für Exzentrik. Unsere Produkte bestehen nur aus dem, was wirklich nötig ist – keine Schrauben, kein Kleber. Gleichzeitig sind sie charakterstark, sie nehmen Raum ein. Ich mag, wenn Objekte eine eigene Präsenz haben, ohne sich aufzudrängen. Exzentrischer Minimalismus trifft es ganz gut.“
Was macht für dich gutes, langlebiges Design aus?
„Am Anfang steht immer eine Zeichnung. Die kann im Atelier entstehen – oder im Zug, im Flieger, manchmal auch bei einem Glas Wein. Danach geht’s ins Prototyping. Ich arbeite sehr ‚hands on‘: Ich baue Modelle, teste Materialien, wähle je nach Funktion zwischen Kunststoff, Metall oder Holz. Durch den 3D-Druck können wir Prototypen schnell umsetzen und anpassen. Ein fertiges Produkt durchläuft bei uns mehrere Iterationen, bis es perfekt ist. Es kann Wochen dauern, bis Form, Material und Technik harmonieren.“
Er zeigt auf eine Vase aus transluzentem Kunststoff: „Die sieht aus wie Glas – aber das war ein langer Weg. Wir mussten eigene Druckeinstellungen schreiben, damit sie so fein und stabil wird. Kein Produkt entsteht bei uns einfach per Knopfdruck.“



Deine Entwürfe bewegen sich zwischen Minimalismus und Exzentrik. Wie findest du diese Balance?
„Intuition. Ich entwerfe nur Dinge, die ich selbst gerne hätte. Bei einer Vase denke ich zum Beispiel: Da sind Blumen und Wasser drin – wie kann ich das Organische, das Lebendige, in ein Objekt übersetzen? Ich mag, wenn Formen auffallen, aber gleichzeitig harmonisch mit ihrer Umgebung wirken. Und beim Licht ist es ähnlich: Ich bin lichtempfindlich, daher ist für mich gutes Licht wichtig. Ich mag keine grellen Räume, sondern warmes, atmosphärisches Licht. Das macht einen Raum lebendig.“
Ihr arbeitet sowohl mit Hightech als auch mit Handwerk. Wie passt das zusammen?
„Technologie ist für uns ein Werkzeug, kein Selbstzweck. Der 3D-Druck ermöglicht uns, in Zürich lokal zu produzieren – etwas, das vor ein paar Jahren für ein kleines Studio unbezahlbar gewesen wäre. Gleichzeitig bleibe ich ein analoger Mensch. Mein Lieblingswerkzeug ist der Bleistift. Die Bewegung von der Hand aufs Papier, das physische Denken – das darf nie verloren gehen. Technik hilft uns nur, Ideen zu verfeinern und zu skalieren.“
Eure Produkte entstehen in Zürich – komplett lokal. Warum ist dir das so wichtig?
„Zürich ist teuer, ja. Aber es ist eine Stadt, in der Design Teil des Alltags ist. Wir sind nah an unserer Produktion, wir können sofort reagieren und Qualität verbessern. Unsere Vase ‚Gioia‘ zum Beispiel sieht genauso aus wie vor einem Jahr, wurde aber technisch zweimal überarbeitet. Diese Kontrolle hast du nur, wenn du selbst produzierst. Und: 3D-Druck erlaubt uns auch dezentrale Produktion. Theoretisch könnten wir in Spanien lokal fertigen – mit denselben Maschinen und Daten. Das ist ein schönes Zukunftsmodell.“
Wie reagieren Kund:innen auf euer „Made-to-Order“-Prinzip?
„Anfangs haben wir wirklich jedes Stück erst produziert, wenn die Bestellung kam. Heute haben wir einen kleinen Showroom in Zürich und arbeiten mit Partnern – also haben wir immer ein paar Stücke auf Lager. Aber 80 Prozent entstehen immer noch auf Bestellung. Das bedeutet: keine Überproduktion, jedes Teil wird wirklich gebraucht. Und ja, manchmal warten Kund:innen fünf Tage – aber dafür wissen sie, dass ihre Lampe gerade für sie gefertigt wird.“
Du hast Partnerschaften angesprochen – wie wichtig sind Kooperationen für dich?
„Sehr wichtig. Wir sind keine reine Online-Marke. Wir wollen, dass Menschen unsere Produkte erleben. Partnerstores helfen uns, neue Zielgruppen zu erreichen – und gleichzeitig Vertrauen aufzubauen. Wenn unsere Lampe neben einem hochwertigen Sofa steht, versteht man sofort, dass sie dazugehört. Wir arbeiten inzwischen mit über 20 Partnern zusammen und bauen das Netzwerk weiter aus.“
Gibt es ein Kundenfeedback, das dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
„Oh ja – die Geschichte unserer ‚Yume‘-Lampe ist eigentlich eine Co-Kreation. Die erste Version war komplett 3D-gedruckt, leicht und filigran. Kund:innen liebten sie, wünschten sich aber mehr Gewicht. Also haben wir den Fuß aus Aluminium gemacht. Dann kamen Rückmeldungen, dass sie die vier Beine der alten Version vermissen. Jetzt hat sie beides – Stabilität und Eleganz. Das zeigt, wie wertvoll direkter Austausch ist.“



Was erwartet ihr euch von eurer ersten Teilnahme an der BLICKFANG?
„Es ist tatsächlich unsere allererste Messe – und ich freue mich riesig darauf. Ich möchte mit den Menschen ins Gespräch kommen, ihre Reaktionen sehen, Feedback sammeln. Manche wollen einfach ein schönes Produkt kaufen, andere interessieren sich für die Geschichte dahinter. Beides ist schön. Die BLICKFANG ist dafür der perfekte Ort.“
Eduard kannst du an der BLICKFANG in Zürich kennenlernen, noch mehr über seine Geschichte und seine Produkte erfahren und diese natürlich direkt ausprobieren und kaufen. Hier geht es zu den den Tickets!