Zwischen Stoffen, Poesie und Nachhaltigkeit: Im Gespräch mit Ladina Kienast

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Gründerin und Designerin Ladina Kienast
Gründerin und Designerin Ladina Kienast

Wenn Ladina Kienast über Stoffe spricht, beginnt sie zu strahlen. Man merkt sofort: Hier sitzt jemand, der nicht einfach Mode macht, sondern Geschichten erzählt – in Form von Kleidern, Jacken und feinen Details, die manchmal erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Bevor sie 2024 ihr eigenes Label gründete, stand sie über zehn Jahre lang als Lehrerin im Klassenzimmer. Heute entwirft sie poetische Kollektionen, die zwischen Handwerk, Nachhaltigkeit und Leichtigkeit balancieren. Wir haben sie zum Gespräch getroffen – über ihren Weg, ihre Leidenschaft und ihre Vision von Mode, die mehr ist als Bekleidung.

Du warst über zehn Jahre lang als Lehrerin tätig. Wie kam es, dass du dich dazu entschieden hast, Mode zu machen?

Ich habe schon immer gerne mit meinen Händen gearbeitet. Als ich als junge Lehrerin anfing, war ich abends oft so erschöpft vom ständigen Kommunizieren auf alle Seiten, dass ich einfach nur das Bedürfnis hatte, mich hinzusetzen und etwas zu tun, das ein greifbares Ende hat. Im sozialen Bereich bist du nie fertig, aber beim Stricken oder Nähen siehst du, wie ein Projekt wächst und fertig wird. Das hat mir unglaublich gutgetan. Später habe ich dann allerdings gemerkt, dass man auch im kreativen Bereich nie wirklich fertig ist, weil man immer noch ein bisschen besser werden will. Aber so hat es angefangen. Ich habe dann eine Ausbildung zur Fashion Spezialistin gemacht und Modedesign studiert, und nebenbei begann ich dann, mein eigenes Label aufzubauen.

Was sind die drei wichtigsten Werte deines Labels?

Das sind für mich ganz klar Handwerk, Nachhaltigkeit und die Freude am Ausprobieren. Ich liebe es, Schnitte zu erarbeiten. Nachhaltigkeit ist mir wichtig, deshalb produziere ich alles lokal in der Schweiz. Und ich arbeite häufig mit Reststoffen oder zertifizierten Naturmaterialien. Der dritte Punkt ist, neugierig zu bleiben und Freude am Experimentieren zu haben.

Du arbeitest oft mit Reststoffen. Wie kommst du an diese Materialien und wie beeinflusst das deinen Designprozess?

Es gibt Zwischenhändler, die Stoffe von großen Modehäusern aufkaufen. Dort gehe ich hin und stöbere, was es gibt. Ich kaufe dann meistens 20 bis 30 Meter, was sich perfekt für meine Kleinserien von etwa zehn Stücken pro Modell eignet.

Meistens inspiriert mich der Stoff direkt. Ich spüre ihn in der Hand und sehe sofort, was daraus entstehen könnte. Besonders liebe ich Materialien mit Charakter – Wolle, grobe Strukturen, leichte Transparenzen. Und ich bin neugierig auf neue Stoffentwicklungen wie SeaCell oder innovative Mischungen.

Deine Stücke entstehen in einer Näherei im Tessin. Warum ist dir die lokale Produktion so wichtig?

Die Zusammenarbeit ist so unkompliziert: Ich fahre einfach kurz runter ins Tessin, bringe die Stoffe persönlich vorbei, und wir können die Prototypen direkt vor Ort besprechen. Es entstehen dadurch auch keine Überproduktionen, denn wenn man in der Schweiz produziert, hat das einen gewissen Preis, der einen davor bewahrt, zu viel zu bestellen. Und mir gibt das einfach ein gutes Gefühl. Ich möchte den Kleidungsstücken ihren Wert zurückgeben – den Wert der Handarbeit und des Materials.

Viele Leute haben vergessen, wo und wie ihre Kleidung hergestellt wird. Für mich war es auch eine riesige Lernreise, als ich anfing, selbst zu nähen, und merkte: „Mein Gott, das dauert ewig! Und das bekomme ich woanders für 9,95?“ Ich möchte einen Beitrag leisten, dass dieses Handwerk und Know-how in der Schweiz bleibt. Das ist meinen Kundinnen auch extrem wichtig.

Wie sieht dein Designprozess aus – vom Stoff bis zum fertigen Kleidungsstück?

Am Anfang steht immer der Stoff. Ich lege ihn auf die Schneiderbüste, stecke, drapiere, probiere. Oft auch an mir selbst, um das Gefühl zu bekommen, wie er fällt.

Der Prozess ist spielerisch und manchmal chaotisch. Aber genau das liebe ich: dass aus einer vagen Idee plötzlich eine Silhouette entsteht. Und ehrlich gesagt – ganz „fertig“ ist ein Stück für mich nie. Sobald es da ist, habe ich schon Ideen, wie man es noch weiterentwickeln könnte.

Auf deiner Website beschreibst du deine Kollektionen als „eine Prise Poesie“. Was meinst du damit?

Ich glaube, das ist einfach eine allgemeine Verträumtheit – ein poetischer Filter, der auf meinem Leben liegt und mir auch Kraft gibt. Es ist nicht Kitsch und keine übertriebene Romantik. Es ist eher eine Art, Geschichten zu erzählen und sich an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen. Manchmal sind es nicht die offensichtlichen Sachen, aber wenn man genauer hinschaut, entdeckt man feinsinnige Details. Eine wellenförmige Naht zum Beispiel, die man nicht sofort sieht, aber die dem Kleidungsstück eine Geschichte verleiht. Das macht das Leben einfach ein bisschen poetischer und reicher.

Gibt es ein bestimmtes Stück, das dir besonders am Herzen liegt?

Das ist wirklich schwierig, weil in jedem Stück so viel Herzblut steckt! Aber wenn ich eines nennen müsste, wäre es das Babydoll Dress, weil es eines der ersten Teile war, die ich entworfen und inszeniert habe. Insofern hat es eine emotionale Bedeutung für mich. Auch die Boxy Jacket mag ich sehr, weil ich sie selbst ständig trage. Sie ist die perfekte Kombination aus einem klassischen Stoff und einem modernen, kastigen Schnitt. Ich mag dieses Spiel zwischen alltäglichen Lieblingsstücken und besonderen Statement-Teilen sehr.

Du bist zum dritten Mal auf der BLICKFANG. Was macht die Messe für dich besonders?

Die BLICKFANG ist für mich ein ganz spezieller Ort. Schon beim ersten Mal war ich überwältigt von der Offenheit und dem Interesse der Besucher:innen. Die Menschen nehmen sich Zeit, stellen Fragen und wollen wirklich verstehen, woher die Kleidungsstücke kommen. Viele Kund:innen erzählen mir auch, dass sie bewusst zur BLICKFANG kommen, um Neues zu entdecken und kleine Labels zu unterstützen.

Dazu kommt die besondere Mischung: Mode, Möbel, Schmuck, Accessoires – alles vereint, aber fein kuratiert mit einem klaren Fokus auf Qualität und Design. Diese Vielfalt inspiriert mich enorm. Und gleichzeitig fühlt es sich sehr familiär an – ich habe andere Designer:innen kennengelernt, und Besucher:innen mit denen ich bis heute in Kontakt stehe.

Was wünschst du dir für die Modebranche der Zukunft?

Ich wünsche mir, dass weniger und dafür bewusster produziert wird. Das würde allen helfen – dem Planeten, den Labels und den Kundinnen. Es ist so traurig, wenn ich daran denke, wie viele Ressourcen verschwendet werden und auf Müllhalden im Ausland landen. Ich wünsche mir, dass die Wertschätzung für Kleidung wieder mehr gelebt wird, denn Kleidung ist unsere zweite Hülle, in der wir täglich leben. Es geht um diese Liebe zu den Kleidern, und dass jedes Kleidungsstück eine Geschichte erzählt.

Was sind die nächsten Schritte für dein Label?

Als Erstes möchte ich mein Label stabilisieren und einen festen Kundenkreis aufbauen, der mir Sicherheit gibt. Mein großer Traum wäre es, in Zukunft vollständig von meiner Marke leben zu können. Ich möchte mich außerdem von den festen saisonalen Kollektionen lösen und mehr nach Bedarf oder auf Bestellung produzieren. Ein neues Modell soll dann erscheinen, wenn es fertig ist und nicht, weil es der Kalender vorgibt. Ich denke, das würde meiner Vision von Nachhaltigkeit noch näher kommen.

Auf der BLICKFANG in Zürich kannst du Ladina persönlich kennenlernen und ihre besonderen Kleidungsstücke anprobieren und direkt mitnehmen!

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