Kann Abschied auch schön sein? Ein Blick hinter die Urnen von Farvel

Abschied nehmen ist ein schweres Thema. Besonders, wenn es sich um den finalen Abschied einer geliebten Person handelt. Farvel, ein junges Schweizer Label, wagt es, diesen Moment neu zu denken – mit individuell gestalteten Urnen, nachhaltigen Materialien und einem Designansatz, der Hoffnung und Leichtigkeit vermittelt. Hinter Farvel stehen Sebastian Kuhn-Prohic und Katharina Hogg-Erdrich, die aus der Marketingwelt kommen und nun eine Branche aufbrechen, die bisher vor allem traditionell und zurückhaltend war. Im Gespräch mit Sebastian erfahren wir, wie Farvel Abschied und Erinnerung zu etwas macht, das berührt, inspiriert und auf besondere Weise feiert.


Wer ist Farvel – und wie entstand die Idee, Abschied neu zu denken?
„Farvel, das sind Katharina und ich – seit fast 17 Jahren Kollegen und Freunde. Kennengelernt haben wir uns während des Studiums, und sind seitdem Freunde geblieben.
Die Idee zu Farvel kam an einem warmen Sommerabend am Genfersee. Katharina hatte innerhalb kurzer Zeit zwei Verluste in der Familie erlebt. Sie saß bei beiden Beerdigungen vor einfachen Standard-Urnen und spürte: Da liegt mehr drin. Diese Menschen waren einzigartig, voller Lebensfreude und doch standen da Gefäße, die so austauschbar wirkten. Sie suchte online nach Alternativen, fand aber kaum etwas Schönes oder Individuelles.
Mit diesem Gedanken kam sie zu mir. Dort, am See, haben wir lange darüber gesprochen, warum Abschied oft so nüchtern gestaltet wird und beschlossen, das zu ändern. So wurde Farvel geboren: aus dem Wunsch heraus, mehr Schönheit, Persönlichkeit und Leichtigkeit in den Moment des Abschieds zu bringen.“
Wie seid ihr auf den Namen Farvel gekommen?
„Wir wollten einen Namen, der Bezug zum Thema Abschiednehmen hat, aber nicht zu direkt, nicht zu schwer. Etwas, das sich logisch anfühlt, wenn man es hört. So sind wir von Farewell auf Farvel gekommen. Das bedeutet auf Dänisch und Norwegisch Lebwohl. Es lässt alles offen: Ist es für immer, nur auf Zeit? Es ist eigentlich ein liebevolles Mach’s gut.“
Ihr seid beide branchenfremd. War das nicht eine riesige Hürde?
„Unser Hintergrund liegt im Marketing, bei mir speziell im Employer Branding. Mit Produktentwicklung hatten wir anfangs keinerlei Berührungspunkte. Aber vielleicht war genau das unser Vorteil. Wir konnten unbefangen fragen: Warum muss das alles so düster sein? Warum nicht Hoffnung, Leichtigkeit? Unser Markenauftritt ist inspiriert von einem Sonnenaufgang – nicht vom Untergang. Sie sollen zeigen: Nach der Nacht kommt wieder der Tag.“
Das ist eine mutige Philosophie. Gibt es auch Gegenwind?
„Am meisten Gegenwind kommt eigentlich von den Bestattungsinstituten. Die Branche ist überwiegend traditionell geprägt. Natürlich kann ich nicht für jeden sprechen, aber das trifft auf die Mehrheit zu. Viele sagen: ‚Das funktioniert doch so, warum soll ich etwas ändern?‘ Aber genau deshalb suchen wir den direkten Kontakt zu den Menschen, zum Beispiel an der BLICKFANG. Dort treffen wir designaffine Besucher, die sich für schöne Dinge begeistern. Wir wollen ihnen zeigen: Auch der letzte Moment kann schön sein.“


Und wie entsteht so eine Urne bei euch?
„Es beginnt mit einem Briefing. Unser Designer René Odermatt hat sich für die Lamellenstruktur von einem aufgeklappten Buch inspirieren lassen. Die Herausforderung: In eine Urne müssen bis zu fünf Liter passen und trotzdem soll sie leicht wirken. Danach folgt ein langer Prozess mit 3D-Druck. Eine Urne druckt zwischen 14 und 16 Stunden. Erst danach sehen wir, ob sie fehlerfrei ist. Dann werden die Deckel von Hand gefertigt – übrigens in einer Zürcher Werkstatt, in der Menschen mit und ohne Beeinträchtigung arbeiten. Auch die Baumwollbeutel für die Asche entstehen in sozialen Institutionen. Es ist uns wichtig, dass Farvel nicht nur schön und nachhaltig, sondern auch sozial verantwortlich ist.“
Euer Material ist besonders – warum habt ihr euch dafür entschieden?
„Unsere Urnen bestehen aus einem Holzfilament, das aus Sägeresten gewonnen wird. So schenken wir diesem Material ein neues Leben. Am Ende baut sich die Urne wie Holz ab, optional bleibt dann nur der Marmordeckel – als ewiger Marker, ein kleiner Stein, der auch in 1.000 Jahren noch an den Menschen erinnert. Wir nennen das nachhaltiges Erinnern.“
Gibt es eine Geschichte von einem Kunden, die euch besonders berührt hat?
„Ja, eine ganz besonders. Es war eine Frau, die die Urne für ihren Vater gestalten ließ. Zuerst hatte sie den vollen Namen ihres Vaters ausgewählt – alles ganz korrekt, wie man es eben oft auf Grabsteinen sieht. Dann schrieb sie uns zurück. Sie sagte: Nein, das fühlt sich nicht richtig an. Und sie änderte die Gravur in nur ein einziges Wort: ‚Papa. Für immer in meinem Herzen‘.
Das hat mich sehr berührt. Dieses eine Wort trägt so viel Liebe und Erinnerung in sich. Es macht die Urne sofort persönlich, intim – nicht ein offizielles Erinnerungsstück, sondern ein Zeichen für die ganz eigene Beziehung zwischen Vater und Tochter. Genau darum geht es bei Farvel: Dass am Ende etwas entsteht, das sich richtig anfühlt.“
Wenn jemand auf der BLICKFANG das erste Mal vor euren Urnen steht – was wünscht ihr euch, dass diese Person fühlt?
„Am berührendsten ist es, wenn jemand innehält und sagt: Das ist wirklich besonders. Genau das wünschen wir uns – dass die Menschen spüren, dass hier etwas mit Liebe und Sorgfalt entstanden ist. Wir wollen das Thema Abschied nicht aufdrücken, sondern einen neuen Blick darauf eröffnen. Wenn es schon ein so schwerer Moment ist, dann soll er zumindest in einem Rahmen stattfinden, der Hoffnung und Leichtigkeit ausstrahlt. Wir möchten zeigen: Auch in der Trauer kann etwas Tröstliches und Schönes liegen.“

An der BLICKFANG in Zürich hast du die Chance, Sebastian und Katharina persönlich kennenzulernen, die kunstvoll gestalteten Urnen zu bestaunen und vielleicht ein Unikat mitzunehmen, das dein Herz berührt. Hier geht es zu den Tickets!