Mit Handwerk und Wertebewusstsein – Wie Anna Z’Brun mit les solides zeitlosen Schmuck neu denkt
In einer Welt, die von Trends, Schnelligkeit und Überfluss geprägt ist, schafft Anna Z’Brun mit ihrem Label les solides einen ruhigen Gegenpol. Ihre Schmuckstücke erzählen von Zeitlosigkeit, handwerklicher Präzision und einer Haltung, die über Ästhetik hinausgeht. Entstanden auf Bali und veredelt in der Schweiz, vereint les solides kulturelle Sensibilität mit einer klaren, minimalistischen Formsprache. Im Interview spricht die Designerin über den Mut zur Reduktion, das Vertrauen in den Prozess – und darüber, warum wahre Schönheit nichts mit Perfektion zu tun hat.
Du hast les solides im Jahr 2017 gegründet. Was war der Ausgangspunkt für deine Entscheidung, ein eigenes Schmucklabel zu starten, und was waren die ersten Schritte auf diesem Weg?
Eigentlich begann alles mit Möbeln auf Bali. Ich war schon immer fasziniert von Materialien, Metallen und Dekoration. Schmuck habe ich zunächst für mich selbst von einem lokalen Handwerker anfertigen lassen – vor allem, weil mich die Qualität vieler Stücke auf dem Markt enttäuschte, insbesondere bei der Vergoldung. Immer wieder wurde ich auf meinen Schmuck angesprochen, und da ich ohnehin etwas, das meinen eigenen Werten entspricht, in die Schweiz bringen wollte, begann ich, in kleinen Mengen bei einem balinesischen Familienunternehmen zu produzieren und die Stücke in die Schweiz zu importieren. So entstand nach und nach les solides.


Vor dem Schmuckdesign hast du auch andere Designfelder wie Möbeldesign oder Taschenherstellung ausprobiert. Kannst du dazu etwas mehr erzählen?
Ich verbrachte zwei Jahre auf Bali und startete dort verschiedene Projekte, um über die Runden zu kommen. Ich mietete eine Villa und baute für diese mit lokalen Produzent:innen Möbel und Einrichtungsgegenstände. Durch die Untervermietung einiger Zimmer konnte ich mir ein stabiles Einkommen sichern und begann, Möbel für lokale Hotels und Cafés herzustellen.
Da Möbel jedoch schwer in die Schweiz zu bringen sind, suchte ich nach einem handlicheren Produkt – und so entstand die erste Kollektion hochwertiger Ledertaschen unter dem Label les solides. Als meine Mutter in Bern immer wieder auf diese Taschen angesprochen wurde, begann ich, sie in der Schweiz zu verkaufen.
Über die Jahre lernte ich auf Bali viele lokale Handwerker:innen kennen – darunter ein Familienunternehmen, das sich auf Edelmetallverarbeitung spezialisiert hat. Fasziniert von deren Kunst, begann ich mit Wachsmodellen zu experimentieren und erste Schmuckstücke herzustellen. Die Resonanz auf meine ersten Designs, die ich an einem Weihnachtsmarkt in der Schweiz zeigte, war überwältigend – das war der Beginn meiner Schmucklinie. Heute arbeiten rund 22 Handwerker:innen auf Bali für les solides und fertigen neue sowie bewährte Designs in sorgfältiger Handarbeit.
Les solides steht für zeitlose, minimalistische Designs, die unabhängig von Trends funktionieren. Was bedeutet für dich „zeitlos“?
Meine Grossmutter hat mich stark inspiriert – sie trug über Jahrzehnte denselben Schmuck, klassische Hoops, aber auch verspielte Stücke. Zeitlos bedeutet für mich nicht nur ein Design, das Bestand hat, sondern auch Qualität, die über Jahre hält. Man kann noch so nachhaltig produzieren – wenn ein Produkt nach einer Saison aus der Mode kommt, ist es nicht wirklich zeitlos.
Der Schmuck von les solides ist genderfluid – er funktioniert für alle Menschen. Wie kam es zu dieser Entscheidung, und was bedeutet das für die Designs?
Mich haben immer wieder Männer gefragt, ob ich auch Schmuck für Männer mache. Für mich war aber von Anfang an klar: Ich mache keinen Schmuck für bestimmte Geschlechter – ich mache Schmuck für Menschen. Schmuck ist Ausdruck von Identität und Persönlichkeit, nicht von Geschlechterrollen.
Ich habe mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Gender und den gesellschaftlichen Erwartungen auseinandergesetzt. Die klassischen Grenzen zwischen „männlich“ und „weiblich“ verschwimmen immer mehr – und genau das spiegelt sich auch in meinen Designs wider. Sie sind bewusst offen gestaltet, weich, manchmal minimalistisch, manchmal verspielt – aber immer so, dass sie Raum lassen für Individualität.
Jede:r soll die Möglichkeit haben, ein Stück so zu tragen, wie es sich richtig anfühlt – unabhängig von Normen oder Labels. Deshalb verkaufe ich bei les solides auch alle Designs einzeln: So kann jede Person die Stücke frei kombinieren und ihren eigenen Ausdruck finden. Es geht nicht darum, eine fertige Identität anzubieten, sondern darum, der eigenen Kreativität und Authentizität Raum zu geben.
Bali spielt eine zentrale Rolle in deiner Produktion. Was hat dich ursprünglich dorthin gezogen, und warum hast du dich entschieden, dort zu produzieren?
Nach meiner Matura reiste ich mit meiner Familie nach Bali – ein kurzer Urlaub, der für mich zu kurz war. Ich verlängerte spontan, um die Insel alleine zu erkunden, Freundschaften zu schliessen und die Kultur abseits des Tourismus kennenzulernen.
Später kehrte ich zurück, arbeitete vor Ort an Grafik- und Interior-Projekten für Hotels und Cafés und genoss die Balance zwischen Arbeit und Leben. Während meines Studiums an der Zürcher Hochschule der Künste entschied ich mich schliesslich, mein Austauschsemester nicht in Rio, sondern wieder auf Bali zu verbringen.
Die Kultur und die Handwerkskunst dort haben mich tief beeindruckt. Natürlich bringt die Produktion auch Herausforderungen mit sich – die balinesische Arbeitsweise unterscheidet sich stark von der europäischen. Aber über die Jahre sind enge, vertrauensvolle Beziehungen entstanden, und genau das macht *les solides* für mich besonders.

Wie hat sich dein kreativer Prozess durch die Zusammenarbeit mit den balinesischen Handwerker:innen verändert?
Die Zusammenarbeit mit den balinesischen Handwerker:innen hat meinen kreativen Prozess stark verändert. Ich bin eigentlich Perfektionistin – manchmal steht mir das im Weg. Die Qualitätsansprüche meiner Produzenten sind zwar sehr hoch, aber das Arbeiten dort lehrt mich, loszulassen. Nicht jedes Stück sieht exakt so aus, wie ich es gezeichnet habe – manchmal fällt etwas grösser oder kleiner aus. Diese kleinen Abweichungen machen den Schmuck lebendig und einzigartig.
Gleichzeitig entsteht vieles direkt im Austausch mit den Handwerker:innen. Oft entwickeln sich Ideen spontan – manchmal sogar aus einem vermeintlichen Fehler heraus. Ich habe gelernt, flexibler zu denken und mich vom Prozess überraschen zu lassen. Es hat etwas Spielerisches, fast Kindliches – manchmal fühle ich mich, als würde ich an einem Basteltisch sitzen und einfach ausprobieren. Leider fehlt im Alltag oft die Zeit, ganz konzeptionell zu arbeiten, aber genau dieses intuitive Entstehen bringt oft die spannendsten Ergebnisse hervor.

Du pflegst eine sehr persönliche Beziehung zu deinen Produzenten. Wie beeinflusst das die Qualität und den Designprozess?
Ich weiss genau, welcher Handwerker welches Stück gefertigt hat. Diese Nähe schafft Vertrauen und gegenseitigen Respekt. Wenn die Qualität stimmt, muss weniger korrigiert werden – das spart Zeit und stärkt die Zusammenarbeit. Natürlich muss man auch Grenzen setzen, damit es professionell bleibt, aber insgesamt fühle ich mich in meiner Vision sehr unterstützt.
Nachhaltigkeit spielt eine grosse Rolle bei les solides. Wie stellst du sicher, dass deine Materialien fair und hochwertig sind – und warum wird die Vergoldung in der Schweiz gemacht?
Die Vergoldung findet in der Schweiz statt, weil wir hier mit Fairtrade- und recyceltem Gold arbeiten. Auf Bali ist das Thema zertifizierte Edelmetalle weniger etabliert, daher war mir wichtig, diesen Schritt zu verlagern. Das Silber hingegen beziehen wir weiterhin lokal, da es dort in guter Qualität erhältlich ist.
Les solides steht im Kontrast zu Massenkonsum und Schnelllebigkeit. Welche Herausforderungen siehst du in der Modebranche, und wie positionierst du deine Marke dagegen?
Ich sehe die grösste Herausforderung darin, dass die Modebranche durch Überfluss und ständige Verfügbarkeit geprägt ist. Heute wird konsumiert, weil man kann, nicht unbedingt, weil man will. Vor ein paar Jahren war das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Qualität deutlich stärker – viele Menschen haben überlegt, woher ein Produkt kommt und wie lange es hält. Heute steht Schnelligkeit im Vordergrund, befeuert durch Plattformen wie Temu oder Shein.
Für ein Label wie les solides bedeutet das, sich bewusst davon abzugrenzen. Meine Stücke sind langlebig, zeitlos und hochwertig – sie sollen über Jahre getragen werden, nicht nur für eine Saison. Gleichzeitig merke ich, dass Exklusivität und Limitierung für viele Kund:innen wieder wichtiger werden. Wenn ein Produkt nicht jederzeit verfügbar ist, wird der Kauf bewusster und emotionaler.
Darum arbeite ich zunehmend mit limitierten Editionen, wie zum Beispiel der Lux Collection. Diese Verknappung schafft Wertschätzung – man entscheidet sich gezielt für ein Stück, statt es impulsiv zu kaufen. Auch weil meine Kund:innen oft schon mehrere Schmuckstücke besitzen, geht es weniger um schnellen Konsum, sondern um langfristige Beziehungen zu den Objekten. Ich sehe les solides als ruhigen Gegenpol zur Schnelllebigkeit – als Einladung, bewusster zu wählen, was man trägt.
Du hast gemeinsam mit zwei anderen Labels den OURS Flagship Store in Zürich gegründet. Was war die Idee dahinter?
Die Inspiration kam definitiv von meiner Zeit auf Bali. Ich liebe es, Menschen zu verbinden und gegenseitige Unterstützung zu fördern. In Zürich habe ich dieses Gemeinschaftsgefühl vermisst. Als kleines Label ist es oft herausfordernd, alles allein zu stemmen – deshalb wollten wir einen Raum schaffen, in dem man Synergien nutzen und voneinander lernen kann. Der OURS Store ist mehr als ein Geschäft – er ist ein Ort des Austauschs und der Begegnung.
Was sind deine langfristigen Ziele für les solides?
Ich möchte Menschen inspirieren – zu einer bewussteren Lebensweise, zu mehr Kreativität und Mut, ihren eigenen Weg zu gehen. Langfristig wünsche ich mir, Projekte auf Bali zu realisieren, die den Handwerker:innen vor Ort etwas zurückgeben – etwa durch Ausbildungsprogramme oder soziale Initiativen.
Ich sehe les solides nicht nur als Schmucklabel, sondern als Plattform, um Menschen miteinander zu verbinden und ihnen Raum zu geben, sich selbst zu entfalten.
Auf der BLICKFANG Zürich kannst du Anna Z’Brun persönlich kennenlernen und eintauchen in die Welt von les solides – wo jedes Schmuckstück eine Einladung ist, den eigenen Stil bewusst und authentisch zu leben. Hier geht es zu den Tickets!